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Der Bundespräsident am Montag in Ungarn

© dpa

Gauck und Deutschlands Militär: Am Rande oder mit dabei

Die deutsche Politik steht vor einer Grundsatzentscheidung: Sie kann dem Wunsch ihrer Bündnispartner folgen oder denen der Bürgerinnen und Bürger.

Wird seit der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar von wichtigen Politikern an der Kanzlerin vorbei eine schleichende Militarisierung der deutschen Außenpolitik vorbereitet? Oder wagen Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin lediglich, Dinge auszusprechen, die an die globale Verantwortung einer wichtigen Nation für Frieden und Freiheit in der Welt erinnern? Findet das, was in München angestoßen wurde, nun seine Fortsetzung in neuerlichen Äußerungen Joachim Gaucks, diesmal von seiner Norwegenreise aus?
In München hatte der Bundespräsident gefordert, Deutschland müsse von einem Nutznießer zu einem Garanten internationaler Sicherheit und Ordnung werden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte, die Bundesrepublik dürfe nicht als Zuschauer am Spielfeldrand der internationalen Politik verweilen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen formulierte an gleicher Stelle, Gleichgültigkeit sei für Deutschland keine Option. Bei seinem Staatsbesuch in Norwegen wurde Joachim Gauck von Ministerpräsidentin Erna Solberg nun ganz direkt angesprochen – Deutschland solle sein Verhältnis zur Welt normalisieren. Gauck stellte, danach befragt, in einem Interview die eher rhetorische Frage, ob die deutsche Politik immer entsprechend der Bedeutung des Landes handle. Er ergänzte, zur Abwehr von Aggression und Menschenrechtsverletzungen solle man den Einsatz von militärischen Mitteln nicht von vorne herein ausschließen.
Tatsächlich steht die deutsche Politik vor einer Grundsatzentscheidung. Entweder sie tut, was die eigenen Experten für richtig und die Bündnispartner in der Europäischen Union und der Nato für notwendig halten, und übernimmt wirtschaftlich, diplomatisch, finanziell und sicherheitspolitisch mehr Verantwortung. Oder sie unterlässt es, weil die große Mehrheit der eigenen Wähler dagegen zu sein scheint, sobald die Teilnahme bei der Lösung internationaler Konflikte vielleicht eine militärische Dimension erreichen könnte. Darf man, muss man gar eine als richtig erkannte Außen- und Sicherheitspolitik gegen massiven innenpolitischen Widerstand durchsetzen? Oder unterlässt man es aus Angst vor Wahlniederlagen und schädigt damit den Ruf Deutschlands in der Welt, ein verlässlicher und seiner Bedeutung angemessen gerecht werdender Partner zu sein?
Politisch führen heißt nicht, abzuwarten, wohin der Wind weht, in diese Richtung zu zeigen und „vorwärts!“ zu rufen. Würde Regieren so verstanden, hätte es nie einen Nato-Doppelbeschluss gegeben, keine Agenda 2010 und vermutlich auch keine Wiedervereinigung. Tatsächlich sind zwar 70 Prozent der Deutschen gegen ein militärisches Engagement ihres Landes. Eine genauso große Mehrheit befürwortet aber den Einsatz von Militär, wenn es um die Versorgung von Menschen in Krisenregionen und die Verhinderung eines Völkermordes geht. Nach den Erfahrungen der vergangenen 15 Jahre ist also sehr gut denkbar, dass die Erfahrungen mit fragwürdigen Militäraktionen im Irak oder, bezüglich der Zielsetzung, in Afghanistan die Reserven gegen Bundeswehreinsätze vergrößert haben.
Wer sich zu so heiklen Fragen äußert, der muss also denkbare Zusammenhänge im Auge haben. Im Irak erwägen die USA gerade eine Intervention, in der Ukraine droht Krieg. An keines der beiden Länder dachte Gauck wohl, als er von weniger Zurückhaltung sprach. Setzt man seine Worte absolut, hat er Selbstverständliches ausgesprochen.

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