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Gaza-Krieg: Diplomatische Niederlage für Israel

Herbe Niederlage für Israel: Verbrechen beider Seiten im Gaza-Krieg sollen untersucht werden. Der Goldstone-Bericht geht an den UN-Sicherheitsrat - ein Veto der USA wird erwartet.

Israel muss in den Vereinten Nationen eine herbe Niederlage einstecken: Gegen den heftigen Widerstand der Regierung in Jerusalem nahm die UN-Vollversammlung den sogenannten Goldstone-Report über israelische und palästinensische Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Gaza- Konflikt an. Die UN zählten 114 Ja- Stimmen gegen 18 Nein-Stimmen bei 44 Enthaltungen. Neben Israel lehnten auch Deutschland und die USA eine Annahme des Dokuments ab. Der Goldstone-Report verlangt ausdrücklich, dass Israelis und Palästinenser Menschenrechtsverletzungen und mögliche Kriegsverbrechen untersuchen und Täter strafrechtlich verfolgen. Falls dies nicht in den nächsten Monaten geschieht, soll sich der Internationale Strafgerichtshof der Fälle annehmen.

„Diese Abstimmung ist eine wichtige Erklärung gegen Straffreiheit“, betonte der libysche Präsident der UN-Vollversammlung Ali Treki. Arabische und die blockfreien Staaten hatten die Abstimmungsvorlage in der Vollversammlung eingebracht. Israels UN-Botschafterin Gabriela Shalev, die an der Debatte nicht teilgenommen hatte, reagierte ungehalten auf die Debatte und das positive Votum. „Sie beschädigen jegliche Bemühungen, die Verhandlungen in unserer Region wiederzubeleben.“ Schon vorher hatte Israels Regierung gedroht: Man kehre dem Friedensprozess so lange den Rücken, solange eine „Kampagne“ gegen den jüdischen Staat in den UN laufe.

Israel hatte in den vergangenen Monaten mit aller diplomatischen Kraft versucht, den Goldstone-Report in den UN- Archiven verschwinden zu lassen. Doch erfolglos. Auf eine Debatte im Sicherheitsrat folgte eine Annahme des Berichts im Menschenrechtsrat. Israels umstrittene Kriegsführung geriet somit immer wieder ins Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Doch auch der Raketenbeschuss israelischer Städte durch palästinensische Gruppen wird als mögliches Kriegsverbrechen angeprangert und eine Untersuchung gefordert.

Jetzt beauftragte die Vollversammlung Generalsekretär Ban Ki Moon, das Dokument an den Sicherheitsrat weiterzuleiten. Israels Schutzmacht USA dürfte mit ihrem Veto jedoch im Sicherheitsrat verhindern, dass der Bericht dem internationalen Strafgerichtshof zugestellt wird. Deshalb braucht Israel keine Verfahren gegen seine Militärs zu fürchten.

In dem Untersuchungsbericht listet der südafrikanische Jurist Richard Goldstone akribisch schwere Verletzungen des Völkerrechts durch die Israelis im Gaza-Konflikt 2008/2009 auf: mutwillige Zerstörungen von Schulen, Krankenhäusern und Wohnungen, das Beschießen von Zivilisten und eine kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung. Der UN-Menschenrechtsrat beauftragte den erfahrenen Juristen.

Der 574 Seiten umfassende Bericht basiert auf 188 individuellen Interviews mit Augenzeugen, Anhörungen in Genf und der Auswertung von 300 Berichten, 1200 Fotos und 30 Videos. Der Bericht betont, dass jede Information mehrfach gegengecheckt wurde, um ihren Wahrheitsgehalt zu ermitteln. Der Bericht nennt insgesamt 36 Zwischenfälle, die nach Meinung der Autoren die Muster des Vorgehens der israelischen Armee im Gaza-Krieg illustrieren. Dabei geht es vor allem um die Zerstörung der zivilen Infrastruktur, die nach Ansicht der Autoren keine militärischen Ziele beinhaltet, sondern eindeutig dazu gedacht sei, die Bevölkerung zu treffen. Völlig zerstört wurden unter anderem das Parlament und die einzige Mehlfabrik in Gaza, deren Inhaber gute Beziehungen zu israelischen Behörden hatte. Bombardiert wurden insgesamt 200 Fabriken, große Teile Ackerlands wurden ebenso zerstört wie eine Geflügelfarm mit 30 000 Tieren, Brunnen und ganze Stadtteile. Auch die gezielten Angriffe auf zwei Krankenhäuser werden beschrieben. Mit Ausnahme eines Falls erkennen die Autoren bei keinem dieser Vorgänge, dass es sich um militärisch gerechtfertigte Angriffe handelt. Sie stellen dagegen zahlreiche Verstöße gegen internationales humanitäres Recht vor und äußern in einigen Fällen sogar den Verdacht auf Kriegsverbrechen. Insgesamt habe Israel nicht zwischen Kämpfern und Zivilbevölkerung unterschieden. Etwa 1300 Palästinenser kamen laut dem Bericht ums Leben und 13 Israelis, davon vier durch freundliches Feuer.

Seine besondere Brisanz bekommt der Bericht aber auch dadurch, dass er die Vorgeschichte des Konfliktes mit einbezieht und daher die Besatzung und die bis heute anhaltende Blockade des Gaza- Streifens mit untersucht und hier grundlegende Verstöße gegen die Genfer Konvention und internationales Recht feststellt. Der Bericht fordert auch eine Lockerung der andauernden Blockade.

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