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Gaza

© dpa

Gazakrieg: Amnesty macht Israel schwere Vorwürfe

Israelische Soldaten benutzten Familien als menschliche Schutzschilde, setzten Wohnhäuser mit Phosphorgranaten in Brand, erschossen Frauen und Kinder mit weißen Flaggen: Der Bericht von Amnesty International äußert harsche Kritik an Israels Vorgehensweise im Gazakrieg Anfang des Jahres.

Israels Soldaten wird einiges vorgeworfen: Sie zielten auf Krankenwagen und Sanitäter, verwüsteten Schulen, Fabriken und Felder ohne jede militärische Notwendigkeit und nahmen mutwillig Zivilisten aufs Korn. Knapp sechs Monate nach Ende des Gazakrieges meldet sich Amnesty International nun mit einer ungewöhnlich scharfen Kritik an dem Vorgehen der israelischen Armee zu Wort. Gleichzeitig verurteilte die Organisation auch die Raketenangriffe von Hamas auf die israelische Bevölkerung.

Man habe aber keine Hinweise gefunden, "dass Hamas Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht hat", heißt es in dem Text. Die 118-Seiten-Analyse "Operation vergossenes Blei: 22 Tage Tod und Zerstörung" ist die erste umfassende Bestandsaufnahme der Kriegsverbrechen beider Seiten. In dem Konflikt im Januar starben über 1400 Palästinenser, darunter mehr als 300 Kinder, sowie 13 Israelis.

Nach Erkenntnissen von Amnesty benutzten israelische Soldaten Männer, Frauen und Kinder in zahlreichen Fällen als menschliche Schutzschilde. So zwangen sie palästinensische Familien, in ihren Häusern zu bleiben, während die Truppen im Inneren Kampfstellungen und Scharfschützennester einrichteten. Andere mussten vor einrückenden Bodentruppen herlaufen. Ein Mann berichtete, der habe drei Tage lang leer stehende Häuser auf Sprengfallen abgesucht, bis die Israelis ihn endlich gehen ließen.

Ein weiterer Augenzeuge wurde mehrfach genötigt, in einem Nachbarhaus nachzusehen, ob drei dort verschanzte Hamas-Kämpfer noch am Leben waren. Als er sich beim vierten Mal weigerte, schnappten sich die Soldaten zwei Jugendliche, und verlangten von ihnen, die verwundeten Bewaffneten zu fotografieren. Die wollten erst nicht und wurden verprügelt. Erst als sie mit den Fotos zurückkamen, schickten die israelischen Soldaten ihren Spürhund los.

Von der Sammouni-Großfamilie, die im Stadtteil Zaytoun im Südwesten von Gaza-Stadt gelebt hatte, starben nach einem Raketenangriff 31 Angehörige. Drei Tage lang hinderte die israelische Armee Krankenwagen daran, die Verletzten zu bergen. Mehrere verbluteten, am Ende fanden die Retter völlig verstörte Kinder, die sich an die Leichen ihrer Eltern klammerten. Und dann walzte ein israelischer Bulldozer die Ruine nieder, so dass die Trümmer alle Leichen unter sich begruben. Ausführlich dokumentiert sind auch zwei Fälle, bei denen Soldaten Frauen und Kinder erschossen, die mit weißen Fahnen vor ihrem Haus standen. In einem Fall starb eine 47-jährige Mutter, in dem anderen knallte ein Panzerfahrer ein zweijähriges und siebenjähriges Mädchen ab, während zwei seiner Kameraden an dem Kettenfahrzeug lehnten und Chips aßen.

"Der Tod von so vielen Kindern und anderen Zivilisten lässt sich nicht einfach - wie Israel das macht - als Kollateralschaden abtun", sagte Donatella Rovera, die die Untersuchung leitete. "Ein großer Teil der Zerstörungen im Gazastreifen war mutwillig und gezielt", urteilt Amnesty. Die Art der Angriffe und die hohe Zahl der zivilen Opfer zeigten "Elemente rücksichtslosen Verhaltens". Auch hätten die Truppen nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden. Das israelische Militär nannte den Bericht "unausgewogen" und "irreführend". Seine  Perspektive lasse vermuten, dass Amnesty Manipulationen der Hamas-Terrororganisation aufgesessen sei. Auch Hamas wies die Kritik zurück. Der Bericht enthalte falsche Anklagen und spiele die Verbrechen der israelischen Besetzung herunter, sagte ein Sprecher. "Er stellt den Henker und sein Opfer auf dieselbe Stufe".

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