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© AFP

Gazastreifen: Heftige Kämpfe bei Bodenoffensive

Nach einwöchigen Luftangriffen hat Israel am Samstagabend mit der Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen. Bis zum Sonntagvormittag gelang es den vorrückenden Soldaten nach israelischen Medienberichten, den Gazastreifen in zwei Teile zu spalten. Aus dem Gebiet werden heftige Kämpfe mit der radikalislamischen Hamas gemeldet.

Israelische Medien berichteten von heftigen Kämpfen und zahlreichen Todesopfern unter den Palästinensern, nannten jedoch keine genauen Zahlen. Nach palästinensischen Angaben starben seit Beginn der Bodenoffensive 17 Palästinenser. Weitere 130 Personen seien verwundet worden. Die Zahl der Todesopfer sei damit seit Beginn der israelischen Luftangriffe am Samstag vergangener Woche auf 480 gestiegen. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Sonntagmorgen, 30 israelische Soldaten seien bislang bei Gefechten mit radikal-islamischen Hamas-Kämpfern verletzt worden. Israel habe auch eine Seeblockade über das Palästinensergebiet am Mittelmeer verhängt, meldete der Rundfunk. Auch die Luftangriffe wurden fortgesetzt.

Eine Helferin beschrieb die Lage in den palästinensischen Krankenhäusern im Gazastreifen als dramatisch. Sie habe so etwas noch nie erlebt, erklärte die Gaza-Koordinatorin der Hilfsorganisation Medical Aid for Palestinians (MAP), Fikr Shalltoot, am Sonntag im Fernsehsender CNN. "Es ist Wahnsinn." In ganz Gaza gebe es in den Krankenhäusern nur 2500 Betten. Wegen des Stromausfalls in der Stadt Gaza müsse das größte Krankenhaus mit Generatoren arbeiten. Es sei kaum vorstellbar, was mit den Patienten geschehe, wenn auch diese ausfallen würden. Sie warf Israel vor, keine Unterschiede zwischen Zivilisten und Hamas.

Olmert: Bodenoffensive "unvermeidbar"

Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert nannte die Bodenoffensive am Sonntag unvermeidbar. Ziel der Armee sei es, jene Gebiete zu kontrollieren, aus denen die meisten Raketen auf Israel abgefeuert worden seien, sagte Olmert vor der wöchentlichen Kabinettssitzung.

Ein ranghoher Militär betonte am Sonntag, die israelische Bodenoffensive werde nicht rasch beendet sein. Der Bodeneinsatz werde "nicht in Stunden oder Tagen enden". Bislang gehe die Militäraktion "in einer sehr herausfordernden Umgebung" wie geplant voran. Eine Wiedereroberung des Gazastreifens sei jedoch nicht geplant. Ausdrücklich wies er erste Berichte über entführte israelische Soldaten als "unwahr" zurück.

Im Fernsehen waren zu Beginn der abendlichen Offensive Nachtaufnahmen von vordringenden Soldaten zu sehen. Viele der Soldaten waren in voller Kampfausrüstung und mit Nachtsichtgeräten ausgestattet. Am Morgen waren über dem Gazastreifen, einem der dichtbesiedeltsten Orte der Welt, immer wieder Rauchwolken von brennenden Gebäuden zu sehen.

Bodentruppen wollen Hauptverkehrsader kontrollieren

Die israelischen Bodentruppen bezogen am Sonntag unter anderen im Bereich der ehemaligen jüdischen Siedlung Nezarim Stellung, berichteten israelische Medien. In dem Gebiet, etwa drei Kilometer von der Stadt Gaza entfernt, liegt eine Hauptverkehrsader im Gazastreifen. Auf diese Weise solle die Bewegungsfreiheit militanter Palästinenser eingeschränkt werden, die Raketen auf Israel abfeuern.

Ein israelischer Armeesprecher sagte, die Bodentruppen seien vor allem im nördlichen Teil des Gazastreifens im Einsatz, um Raketen-Abschussrampen zu zerstören. Ziel der Offensive sei es, den Raketenbeschuss auf Israel auf ein Minimum zu reduzieren. Ein vollständiger Stopp der Angriffe sei allerdings "unrealistisch". Zuvor hatten militante Palästinenser ungeachtet der Bodenoffensive weiter Raketen auf Israel abgefeuert. In einer Grenzstadt wurde nach Medienberichten ein Haus direkt getroffen, ein Frau wurde leicht verletzt.

Weltsicherheitsrat uneins

Trotz der Eskalation der Gewalt im Gazastreifen konnte sich der Weltsicherheitsrat in der Nacht nicht auf eine gemeinsame Linie im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern einigen. Nach fast vierstündigen Beratungen sagte der amtierende Vorsitzende Jean-Maurice Ripert am Samstagabend (Ortszeit) in New York gleichwohl, es gebe eine "starke Übereinstimmung" bei den Mitgliedern, ihre ernsthafte Sorge über die Lage zu äußern. Die große Mehrheit verlange eine sofortige Waffenruhe.

Der amerikanische UN-Vertreter Alejandro Wolff betonte dagegen, es schade dem Ansehen des Sicherheitsrats, Forderungen zu stellen, die nachher nicht befolgt würden. Israel sei ein Mitglied der Weltgemeinschaft. Sein Vorgehen dürfe nicht mit Aktionen einer Terrorgruppe wie der Hamas verglichen werden. Der britische UN-Botschafter John Sawers nannte es "sehr enttäuschend", dass sich das 15-Staaten-Gremium nicht auf einen Kompromiss verständigen konnte. Angesichts der Zuspitzung der Lage müsse alles für eine Waffenruhe getan werden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "extrem beunruhigt" über die israelische Bodenoffensive.

Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hatte am Samstagabend gesagt, Israel wolle mit aller Entschlossenheit vorgehen, um seine Ziele im Gazastreifen zu erreichen. Er kündigte "schwierige Tage" in der Region an. Weitere zehntausende Reservesoldaten seien für die Fortsetzung der vor einer Woche begonnenen Offensive "Gegossenes Blei" einberufen worden, meldeten israelische Medien. (feh/dpa)

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