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Zwei Autos brennen in Paris während der Demonstration gegen das umstrittene Sicherheitsgesetz.

© GEOFFROY VAN DER HASSELT/AFP

Update

Gebäude und Autos brennen: Demonstration in Paris gegen Polizeigesetz eskaliert

In Frankreich protestieren mehr als hunderttausend Menschen wegen jüngster Fälle von Polizeigewalt. In Paris entlädt sich die Wut auf der Straße.

In Frankreich haben am Samstag tausende Menschen gegen das geplante Sicherheitsgesetz, gegen Polizeigewalt und für die Pressefreiheit demonstriert. Die Proteste in der Hauptstadt Paris und in vielen anderen Städten richteten sich gegen ein geplantes Filmverbot bei bestimmten Polizeieinsätzen.

Angefacht wurden sie von neuen Fällen von Polizeigewalt, die in dieser Woche durch Videoaufnahmen bekannt geworden waren und landesweit für Entsetzen gesorgt hatten. Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron will mit dem Gesetz für „umfassende Sicherheit“ die Verbreitung von Foto- oder Filmaufnahmen unter Strafe stellen, durch die einzelne Polizisten in die Kritik geraten könnten.

Journalistenverbände befürchten eine massive Einschränkung der Pressefreiheit. Schon am Vormittag gingen bis zu 1500 Menschen im nordfranzösischen Lille gegen das geplante Gesetz auf die Straße.

Nach Angaben der Organisatoren beteiligten sich rund 500.000 Menschen landesweit an den Protesten. Alleine in Paris seien 200.000 Demonstranten auf die Straße gegangen, erklärten ein Bündnis von Journalistengewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen, das zu dem "Marsch der Freiheiten" aufgerufen hatte. Das französische Innenministerium sprach hingegen von landesweit 133.000 Demonstranten und 46.000 Teilnehmern in Paris.

Demonstration gegen das geplante Sicherheitsgesetz in Paris am 28. November 2020.
Demonstration gegen das geplante Sicherheitsgesetz in Paris am 28. November 2020.

© Christian Hartmann/Reuters

Einige Gruppen von Demonstranten errichteten Barrikaden und bewarfen die Polizei mit Steinen und Feuerwerkskörpern. Am Bastille-Platz steckten Demonstranten einen Zeitungskiosk, den Eingang eines Gebäudes der französischen Zentralbank und eine benachbarte Brasserie in Brand.

In der Umgebung brannten auch mehrere Autos. Bis zum frühen Abend gab es nach Polizeiangaben neun Festnahmen. Die Polizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein.

Überwiegend blieben die Proteste in der Hauptstadt aber ruhig. Auch in anderen Städten wie Straßburg, Bordeaux, Lyon, Marseille, Lille und Nantes gingen mehrere tausend Menschen auf die Straße.

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Bereits am vergangenen Wochenende waren ungeachtet der Corona-Ausgangsbeschränkungen rund 22.000 Menschen in Frankreich gegen das Film-Verbot auf die Straße gegangen. Seitdem ist die Kritik an dem geplanten Gesetz noch schärfer geworden.

Auslöser waren Aufnahmen von zwei brutalen Polizeieinsätzen, die bis an die Staatsspitze für Entsetzen sorgten.

Soziologe attestiert Frankreich „strukturelles Gewaltproblem“

Der Soziologe Fabien Jobard attestierte der französischen Polizei im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP ein „strukturelles Gewaltproblem“. „Ich kenne kein westeuropäisches Land, das ein so großes Polizeiproblem hat“, sagte er der . Es handle sich um mehr als ein paar „schwarze Schafe“.

Präsident Macron zeigte sich am Freitag „schockiert“ über Videoaufnahmen von Polizisten, die einen schwarzen Musikproduzenten in seinem Pariser Studio zusammenschlugen und rassistisch beleidigten.

Er sprach von einer „inakzeptablen Aggression“ und nannte die Bilder „beschämend“. Zuvor hatte es bereits massive Kritik an der Polizei wegen der gewaltsamen Räumung eines Flüchtlingslagers in Paris gegeben.

Mit dem geplanten Gesetz will die Regierung der Polizei auch die Überwachung von Demonstranten mit Drohnen ermöglichen. Das Unterhaus des Parlaments hat die Vorlage bereits in erster Lesung gebilligt. (AFP, Reuters)

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