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Politik: Geben, um zu nehmen

Die FDP ist bereit, Schäuble zum Präsidenten zu machen – wenn sich die Union dafür mehr auf ihre Politik einlässt

Von Robert Birnbaum

Im Tauziehen um einen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl erwägt die FDP-Führung, sich die Zustimmung zu einem Unionsbewerber durch inhaltliche Zugeständnisse von CDU und CSU abhandeln zu lassen. Nach Informationen des Tagesspiegels gehen FDP-Chef Guido Westerwelle und andere führende Freidemokraten inzwischen davon aus, dass CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber bei dem für Anfang nächster Woche vorgesehenen Treffen Wolfgang Schäuble als ihren Bewerber präsentieren werden. Da die FDP-Spitze es trotz des Drucks aus den eigenen Reihen für wenig sinnvoll hält, darauf mit einem eigenen Kandidaten zu antworten, wird bei den Liberalen erwogen, sich zur Gesichtswahrung von der Union ein Entgegenkommen in Sachfragen auszubedingen.

Als Felder, in denen gemeinsame Vorstöße denkbar wären, werden die Steuerreform, das Tarifrecht oder auch die Zuwanderungsfrage genannt. Diese FDP-Überlegungen treffen sich mit Erwägungen in der CDU-Spitze. CDU-Chefin Merkel denkt seit längerem daran, der FDP Gelegenheit zur Profilierung in der Reformdebatte zu bieten und ihr so die Zustimmung zu einem Unionskandidaten zu erleichtern. „Wir könnten in der Sache ein Signal des bürgerlichen Lagers setzen“, heißt es wohlwollend aus der CDU-Führung. Dass auch die CSU dabei mitmachen würde, etwa das FDP-Stufensteuermodell zur Basis eines gemeinsamen Reform-Vorstoßes zu machen, gilt in der CDU-Spitze als gut vorstellbar.

Ausgelöst worden sind die neuen Überlegungen in der FDP einerseits durch die Annahme, dass in der Union alles auf eine Nominierung Schäubles zuläuft, andererseits durch die Erkenntnis, dass ein eigener FDP-Bewerber entweder als „Zählkandidat“ verschlissen würde oder nur mit Hilfe von Rot-Grün gewählt werden könnte. Westerwelle hat zwar immer die „Option“ auf einen eigenen Kandidaten betont. Aber der Preis erscheint zu hoch, weil dadurch die angeschlagene rot-grüne Koalition stabilisiert würde.

Zugleich gelten in der FDP-Spitze andere Bewerber, die anstelle Schäubles aus dem Unionslager gehandelt werden, auch nicht als akzeptablere Alternative. Jemand wie IWF-Chef Horst Köhler wird bei den Liberalen geradezu als „Halbpolitiker“ abqualifiziert. Westerwelle habe immer betont, dass ins Schloss Bellevue ein Polit-Profi gehöre. Das gelte um so mehr in einer Lage, in der es nicht undenkbar erscheine, dass die Regierung vorzeitig zerbreche und es dann am Bundespräsidenten wäre, die Konsequenzen bis hin zu Neuwahlen zu ziehen.

Ob der Tauschhandel „Schäuble gegen Steuerreform“ am Ende wirklich zu Stande kommt, gilt allerdings auf beiden Seiten als ungewiss. Viel hänge vom Ausgang der Hamburg-Wahl ab, heißt es. In der FDP muss Westerwelle mit lautstarkem Widerspruch rechnen. Nicht nur der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki, auch andere Spitzenliberale finden, dass die FDP mindestens in den ersten zwei Wahlgängen in der Bundesversammlung eigene Flagge zeigen müsse. Zudem werden in der FDP die Chancen Schäubles auf eine Mehrheit weit skeptischer eingeschätzt als bei CDU und CSU. Und noch eins macht aus Sicht eines Spitzenliberalen eine inhaltliche Koalition in der Opposition schwierig: „Das sieht ja dann aus wie vorgezogene Koalitionsverhandlungen.“

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