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Hebammen haben in den vergangenen Monaten viel Unterstützung erfahren.

© epd

Geburtshilfe: Kassen sollen mehr für Hebammen zahlen

Seit Monaten kämpfen Geburtshelferinnen um Unterstützung, weil sie sich mit steigenden Haftpflichtprämien konfrontiert sehen. Gesundheitsminister Gröhe hat nun Lösungsvorschläge gemacht.

Es war eine schwere Geburt, doch in trockenen Tüchern ist die Sache noch lange nicht. Nach monatelangem Abwägen und unter starkem öffentlichen Druck hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nun Vorschläge gemacht, wie den freiberuflichen Hebammen mit ihrem Problem ständig steigender Haftpflichtprämien geholfen werden kann. Die Krankenkassen sollen die Versicherungskosten künftig nicht nur über höhere Honorare ausgleichen, sondern Hebammen mit wenigen Geburten zusätzlich einen Sicherstellungszuschlag bezahlen. Und: Sie sollen bei Geburtsschäden künftig auf Regressforderungen verzichten.

Gröhe reagierte damit auf Forderungen der Hebammenverbände und zahlreicher Unterstützer, die wegen der explodierenden Haftpflichtkosten die Politik in der Pflicht sehen. Wegen höherer Therapiekosten und längerer Lebenserwartung der Betroffenen haben sich die Prämien allein zwischen 2002 und 2012 verzehnfacht – von 453 auf 4242 Euro im Jahr. Und sie steigen weiter – im Juli 2014 auf 5091 Euro und 2015 erneut um 20 Prozent.

Krankenkassen wehren sich

„Wir müssen die Spirale des immer weiteren Anstiegs brechen“, drängt der Minister. Doch ob das allein auf Kosten der Beitragszahler geschehen soll, wie nun von ihm vorgeschlagen, bleibt umstritten. „Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Haftung von Hebammen, durch deren Fehler ein Kind bei der Geburt zu Schaden kommt, begrenzt werden soll“, sagt Florian Lanz vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung. Es könne „nicht sein, dass die Beitragszahler der Sozialversicherungen das Geschäft der privaten Versicherungswirtschaft machen sollen und statt der Haftpflichtversicherung die Folgekosten von Hebammenfehlern übernehmen“.

Bisher sind die Kassen verpflichtet, sich die Behandlungs- und Pflegekosten für Schadensfälle von der Haftpflichtversicherung zurückzuholen. Ein Verzicht darauf könnte, so Gröhes Kalkül, die Sache für Assekuranzen wieder attraktiver machen – und zu sinkenden Prämien führen. Die Regressforderungen machten 20 bis 30 Prozent der Schadenssumme aus, rechnet er vor. Und wenn man dadurch Versicherungskosten verringern könne, müssten die Krankenkassen den Hebammen am Ende auch weniger Honorarausgleich zahlen.

Auch in der Regierung gibt es Bedenken

Widerstand jedoch kommt auch aus der Regierung. Im Abschlussbericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die sich im vergangenen Jahr ausgiebig mit dem Problem befasst hat, warnen Justiz- und Sozialministerium vor dem nun empfohlenen Regressverzicht. Zum einen sei es „bedenklich“, die Regressmöglichkeiten „nur im Hinblick auf eine bestimmte Berufsgruppe“ beschränken zu wollen, heißt es. Zum andern sei die Abwälzung auf die Beitragszahler „auch nicht sachgerecht“, da die Kosten ja „nicht von der Sozialversicherung verursacht“ würden. Bei der Entlastung der Hebammen handle es sich „vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so das Sozialministerium. Im Klartext: Wenn schon, dann sollte sie aus Steuern finanziert werden.

Im Prinzip sehen das auch die Betroffenen so. Entsprechend zurückhaltend blieben ihre Reaktionen. Zwar seien „endlich erste Schritte zur Lösung des Haftpflichtproblems gemacht worden“, sagte die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, Martina Klenk. Es gebe aber weiter „den Bedarf, das Problem auch langfristig anzugehen“. Bei der Regressdeckelung handle sich nur um ein Hilfsinstrument. „Wir brauchen aber eine langfristige solide Lösung mit einer öffentlichen Absicherung des Haftungsrisikos und bitten den Minister deshalb, unseren Vorschlag eines steuerfinanzierten Haftungsfonds weiter zu prüfen.“

Mehr Hilfe für Gelegenheitshebammen

Gröhes Idee eines Sicherstellungszuschlags kommt besser an. Der Minister sieht darin eine „wichtige Voraussetzung für eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe“. Die Kassen gleichen die Prämiensteigerungen bisher nämlich nur fallbezogen aus. Hebammen mit weniger Geburten, etwa in dünn besiedelten Regionen oder wenn sie sich auf Hausgeburten spezialisiert haben, kommen folglich auf weniger Ausgleich – obwohl sie genau so hohe Haftpflichtprämien zahlen müssen wie ihre stärker beschäftigten Kolleginnen in Belegkliniken. Der GKV- Spitzenverband erinnerte zwar daran, dass „Gelegenheitshebammen“ ihre Versicherungsverträge zwischendurch auch kostenfrei ruhen lassen könnten. Gleichwohl seien solche Zuschläge für die Betroffenen „bedenkenswert“.

Wie hoch die Zuschläge sein und viele Hebammen sie erhalten sollen, ließ der Minister offen. Das liegt auch daran, dass er kaum Datenmaterial zur Verfügung hat. Das soll sich jetzt ebenfalls ändern. Ab 2015 würden auch Entbindungsorte genauer erfasst, kündigte Gröhe an. Außerdem wolle man „das Auftreten und die Ursachen von Geburtsschäden näher untersuchen“ – und verbindliche Qualitätskriterien veranlassen. Aus Sicht der Krankenkassen sind die dringend nötig. Es sei „schon ein Problem und erstaunlich, dass wir im Bereich der Hebammenversorgung so wenig Qualitätsstandards haben“, sagte Verbandssprecher Lanz.

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