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Politik: Gedämpft, nicht gedeckelt - Die Gesundheitskosten steigen bestenfalls etwas langsamer

Im Jahr 2000 dürfen die Ärzte Arzneien im Wert von 32 Milliarden Mark zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben. Soviel billigt ihnen das Arzneimittelbudget zu.

Im Jahr 2000 dürfen die Ärzte Arzneien im Wert von 32 Milliarden Mark zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben. Soviel billigt ihnen das Arzneimittelbudget zu. Der Bedarf aber, so haben die Apothekerverbände ausgerechnet, liegt bei knapp 38 Milliarden Mark. Eine Sechs-Milliarden-Lücke, die nach Ansicht der Apotheker auch mit "Wirtschaftlichkeitsreserven" nicht zu schließen ist. Während Ärzte, Apotheker und Pharmahersteller gegen das Budget für Arznei- und Heilmittel kämpfen und die Mediziner bereits von einer "Rationierung" sprechen - wichtige Medikamente würden den Patienten vorenthalten -, hält die Gesundheitsministerin eisern an den Budgets fest.

Ohne Zweifel ist richtig, dass die festen Obergrenzen für Arzneimittelausgaben zur Kostendämpfung beigetragen haben. Und das nicht zuletzt durch die drohende "Kollektivhaftung", nach der alle Ärzte bei Überschreiten des Budgets zur Rechenschaft gezogen werden können und mit Honorareinbußen rechnen müssen. Freilich wird dieses Mittel in der Praxis so gut wie nicht angewandt. Der kollektive Regress wurde so zum Papiertiger. Selbst ein internes SPD-Papier ist nun zu dem Schluss gekommen, dass der "kybernetische Regelkreislauf Arzneimittelbudget" nicht funktioniert habe. Ein zu geringes Budget könnte zur Zwei-Klassen-Medizin, Verlagerung der Kosten auf Patienten, Verschlechterung der Lebensqualität und weiteren Problemen führen.

Sinnvoller, weil gerechter und für den einzelnen Arzt besser nachzuvollziehen erscheinen dagegen individuelle Richtgrößen, wie sie die letzte Bundesregierung plante. Sie können für die einzelnen Facharztgruppen maßgeschneidert sein und haben den Vorteil, dass jeder Arzt persönlich für seine Verschreibungen verantwortlich zu machen ist. Jeder Arzt hat in diesem Modell eine bestimmte Geldsumme pro Patient und Quartal für Verschreibungen von Medikamenten oder Heilmitteln zur Verfügung.

Sieben Milliarden sparen?

Für die Versorgung mit Arzneimitteln ist nicht nur von Bedeutung, ob den Budgets oder den Richtgrößen die Zukunft gehört. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, wie man die Therapie verbilligen und verbessern kann. Sind die Wirtschaftlichkeitsreserven erschöpft, wie viele Anbieter meinen, ist das System ausgequetscht? Oder ließen sich ganz im Gegenteil noch sieben Milliarden Mark bei den Arzneien sparen, wie der AOK-Bundesverband meint?

Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Auf der einen Seite lässt sich nicht bestreiten, dass innovative Mittel ihren Preis haben, und dass die Bevölkerung insgesamt älter und behandlungsbedürftiger wird. Hinzu kommt, dass bei der letzten Gesundheitsreform die Zuzahlungen der Patienten abgesenkt wurden. Auch dieses Wahlgeschenk kostet Hunderte Millionen.

Auf der anderen Seite werden immer noch viel zuviele überflüssige, unwirksame oder zu teure Medikamente verordnet. Ein Beispiel sind medizinisch zweifelhafte Venensalben, für die nach Angaben der AOK immer noch dreistellige Millionensummen anfallen. Wie sich zeigte, kann es bereits Kosten einsparen helfen, wenn die niedergelassenen Ärzte in moderner Arzneitherapie von einer unabhängigen Einrichtung geschult werden.

Große juristische Probleme werfen dagegen die diversen Arzneimittel-Listen auf, mit denen gleichsam von oben das Verschreiben nutzloser oder unwirtschaftlicher Medikamente zu stoppen wäre. Es drohen Klagen der Industrie. Am meisten gilt das vermutlich für die "Positivliste", die die Gesundheitsministerin durchsetzen will. Wahrscheinlich verheddert sie sich mit einer solchen Liste verschreibungsfähiger, wirksamer und wirtschaftlicher Arzneien im Gestrüpp des Lobbyismus. Der letzte Gesundheitsminister ließ eine zerschnitzelte Positivliste von seinem Staatssekretär der Pharma-Lobby als Morgengabe überreichen.

Und was ist mit der Eigenverantwortung des Patienten? Selbst bei Ausschöpfen aller Sparpotenziale könnte am Ende das Geld für die Rundum-Versorgung nicht mehr reichen. In diesem Fall müsste allerdings klar sein, dass allenfalls bei leichteren Krankheiten die Pillen und Tabletten aus eigener Tasche zu bezahlen wären.

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