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Lichtzeichen. Staats- und Regierungschefs aus Osteuropa gedachten in Danzig des Kriegsendes vor 70 Jahren und fanden dabei harte Worte gegenüber Russland.

© AFP

Gedenken 70 Jahre Kriegsende: Osteuropa bricht mit russischer Tradition

Die Staatschefs Osteuropas ziehen das Gedenken in Danzig demonstrativ einen Tag vor. Die Russen feiern immer am 9. Mai, weil erst an diesem Datum General Schukow die Kapitulation aller Teile der deutschen Wehrmacht angenommen hatte.

Bis zuletzt warteten die Polen auf Francois Hollande. Doch kein westeuropäischer Spitzenpolitiker wagte sich in der Nacht zum Freitag nach Danzig. Nur gerade der Staatspräsident Zyperns, Nikos Anastasiadis, war der polnischen Einladung nachgekommen, das Ende des Zweiten Weltkriegs statt am 9. Mai in Moskau einen Tag zuvor in Danzig zu freien. Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski hatte diese Idee Ende Januar am 70. Jahrestag der Befreiung des deutschen KZ Auschwitz lanciert und damit sofort heftigen Protest aus Russland geerntet. Polen versuche, „die Geschichte zu retuschieren“ und „den russischen Beitrag zum Sieg anzuzweifeln“, hieß es protestierend aus dem Kreml.

So waren am Freitag auf der Danziger Westerplatte, wo am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, acht osteuropäische Staatschefs praktisch unter sich. Paris hatte am Ende den Verteidigungsminister nach Danzig geschickt, aus Berlin reiste Alt-Bundespräsident Horst Köhler an.

Angesichts der Ukraine-Krise will niemand den Kremlchef zusätzlich provozieren. Es erfülle ihn allerdings auch mit Genugtuung, dass die europäischen Staatsführer Putins samstäglicher Militärparade in Moskau fern blieben, betonte in Danzig der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko. Seine Anreise war symbolisch, ebenso wie die Teilnahme des Tschechen Milos Zeman, der sich zuerst für Moskauer Feier angemeldet hatte, sich dann aber nach einer Intervention der US-Regierung anders entschieden hatte.

Islamismus als Faschismus von heute

Zeman ermahnte die EU am Donnerstagabend in einer Diskussionsrunde der Präsidenten über die Zukunft Europas im Europäischen Solidarnosc-Zentrum zur Geschlossenheit angesichts der Bedrohung des "Islamischen Staates" (IS), dessen Ideologie er mit jener der Nationalsozialisten verglich. Gastgeber Komorowski, der die Diskussion moderierte, betonte indes vor allem die Kehrseite des sowjetischen Sieges über Hitlerdeutschland vor 70 Jahren für jene Länder, die sich „auf der falschen Seite des Eisernen Vorhangs“ wiederfanden. „Nicht allen hat das Ende des Krieges die Freiheit gegeben“, erinnerte er auch danach während der Gedenkfeier auf der Danzig vorgelagerten Halbinsel Westerplatte in der Nacht zum Freitag. Wie bereits im Herbst 2014 zum 75. Jahrestag des Kriegsbeginns zogen die osteuropäischen Staatspräsidenten auf der Westerplatte Parallelen zwischen Hitler und Putin.

„Heute stehen wir genau vor denselben Gefahren, wie vor dem Zweiten Weltkrieg“, mahnte Dalia Grybauskaite, die Staatspräsidentin Litauens mit Blick auf die Ukraine-Krise. So etwas wie die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim habe es seit 1939 nicht mehr gegeben, unterstrich der Pole Komorowski. „Es kann keine Akzeptanz für solche Methoden geben“, sagte der Pole. „Diese anachronistischen Einstellungen werden die Sehnsüchte der Leute nicht stoppen, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden“, wandte sich der polnische Staatspräsident an seinen Gast aus der Ukraine. „Der andauernde Krieg in der Ukraine erlaubt uns nicht zu vergessen, dass es in Europa noch Kräfte gibt, die Erinnerungen an das schwärzeste Kapitel der Geschichte hervorrufen, die weiterhin nach der Logik von Einflusssphären handeln“, wurde Komorowski schließlich noch deutlicher.

Man dürfe die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg nicht ignorieren, forderte Poroschenko daraufhin vor der Kranzniederlegung auf der Westerplatte. „Heute befindet sich mein Land im Kriegszustand, doch wie vor 70 Jahren wollen einige lieber den Aggressor streicheln“, klagte der Ukrainer. „Der Aggressor zeigt der ganzen Welt unter dem Vorwand des großen Sieges seine ganze Stärke; einige der Einheiten, die an der Militärparade in Moskau teilnehmen, waren noch vor ein paar Tagen im Donbass“, sagte er in Danzig.

Als Folge der russischen Aggression gegen die Ukraine haben sich sowohl Warschau wie Kiew erst dieses Jahr beim Weltkriegsgedenken dem westeuropäischen Siegestag 8. Mai angeschlossen. Polen schaffte per Parlamentsbeschluss den 9. Mai als „Tag des Sieges“ ab; die Ukrainer haben sich auf einen doppelten Gedenktag am 8. und 9. Mai verständigt. Russland feiert wie einst die Sowjetunion und der ganze Ostblock erst am 9. Mai. Historischer Hintergrund für die Russen ist der Zeitpunkt, an dem der sowjetische General Schukow die bedingungslose Kapitulation aller Teile der deutschen Wehrmacht akzeptierte.

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