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Gedenken an NS-Opfer: Eine Rose auf einem Stolperstein

© dpa/Andreas Arnold

Gedenken an 1942 deportierte Jüdin: Stolperstein in sächsischer Kleinstadt darf doch verlegt werden

Nach heftigen Protesten lenkt die Stadt Groitzsch bei Leipzig ein – und lässt das Gedenken an die deportierte Jüdin Anna Reichardt zu.

Von Matthias Meisner

Die Stadt Groitzsch im Landkreis Leipzig reagiert auf heftige Proteste und lässt die geplante Verlegung eines Stolpersteins vor dem ehemaligen Wohnhaus einer 1942 nach Polen deportierten Jüdin doch zu. Der Stadtrat entschied am Donnerstag in nichtöffentlicher Sitzung, trotz der Einwände des Hauseigentümers das Gedenken zuzulassen. Das teilte der Leipziger Verein Erich-Zeigner-Haus am Freitag mit, der sich seit Jahren für die Erinnerungskultur in der Region engagiert.

Der Verein hatte eine Schulklasse des örtlichen Gymnasiums bei den Recherchen zum Schicksal der Jüdin Anna Reichardt unterstützt. Die geplante Verlegung eines Stolpersteins vor dem ehemaligen Wohnhaus scheiterte zunächst aber am Veto des Verwaltungsausschusses der Stadt und auch am Widerstand des Bürgermeisters Maik Kunze (CDU). Kunze sagte, die Schüler und ihre Geschichtslehrerin hätten Ersatz-Standorte für das Gedenken abgelehnt.

Die Jüdin Anna Reichardt war am 10. Mai 1942 mit 1000 anderen Menschen aus Sachsen und Thüringen ins Ghetto der polnischen Stadt Bełżyce deportiert worden.

"Gerade vor dem Hintergrund aktueller antisemitischer und rechtspopulistischer Entwicklungen in Politik und Gesellschaft ist eine Entscheidung wie die des Groitzscher Stadtrates von besonderer Wichtigkeit", sagte Henry Lewkowitz vom Verein Erich-Zeigner-Haus am Freitag.

[Unter #wirgebenkeineruhe finden Sie Texte, die in einer Beilage des Tagesspiegel zum Kampf gegen den Antisemitismus erschienen sind]

Die Ablehnung der Verlegung hatte nach monatelanger Recherche und Archivarbeit nicht nur Unverständnis, sondern auch große Enttäuschung bei den Schülerinnen und Schülern ausgelöst. Nun können sie ihr Projekt fortsetzen und mit der Spendensammlung beginnen, um die Verlegung des Stolpersteins für Anna Reichardt am 27. Februar 2020 umsetzen zu können.

Unter anderem Küf Kaufmann, Vorstandsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte heftig gegen die zunächst ablehnende Haltung der Stadt und des CDU-Bürgermeisters protestiert. Zu Wochenbeginn sagte Kaufmann dem Tagesspiegel: "Es ist mehr als bedauerlich, dass die Gymnasiasten eine so demotivierende Absage für ihr starkes Zivilengagement bekommen haben." Und: "Ich glaube, dass die Groitzscher Gymnasiasten politisch viel reifer sind und viel mehr Fingerspitzengefühl für die Geschichte haben als ihre Stadtverwaltung."

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