zum Hauptinhalt
Peres

© ddp

Gedenkstunde: Peres: "Nie wieder" ist wichtigste Lehre aus dem Holocaust

Der israelische Präsident Schimon Peres hat anlässlich des internationalen Holocaustgedenktages zum Kampf für Frieden und Freiheit aufgerufen. Bei seiner Rede im Bundestag bezeichnete er das iranische Regime als "Gefahr für die ganze Welt".

Die wichtigste Lehre aus dem Völkermord der Nationalsozialisten an sechs Millionen Juden sei das "Nie wieder", sagte Peres am Mittwoch in einer Holocaustgedenkstunde des Bundestages und fügte hinzu: "Nie wieder eine Rassenlehre. Nie wieder ein Gefühl von Überlegenheit. Nie wieder eine scheinbar gottgegebene Berechtigung zur Hetze, zum Totschlag, zur Erhebung über das Recht. Nie wieder zur Verleugnung Gottes und der Shoa."

Peres forderte Deutschland und die Welt auf, noch lebende Nazi-Schergen vor Gericht zu stellen. "Ich bitte Sie, tun Sie alles, um diesen Verbrechern ihre gerechte Strafe zu erteilen", sagte der Friedensnobelpreisträger am Mittwoch in einer Gedenkstunde des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus vor Abgeordneten und den Spitzen des Staates. Der polnische Historiker Feliks Tych forderte eine Aufarbeitung der "Komplizenschaft" der einheimischen Bevölkerung in vielen europäischen Ländern beim Massenmord an den Juden, den die Nationalsozialisten organisiert hatten.

Der 86-jährige Peres sagte, überall auf der Welt gebe es immer weniger Überlebende des Holocausts. "Ihre Zahl nimmt täglich ab. Und gleichzeitig leben auf deutschem Boden, in Europa und anderswo auf der Welt noch immer Menschen, die damals dieses schrecklichste Ziel verfolgten: den Völkermord." Bei der Forderung nach Strafverfolgung gehe es nicht um Rache. "Es geht um Erziehung", sagte Peres vor allem mit Blick auf die junge Generation. "Die Jugend muss sich erinnern, darf nicht vergessen und muss wissen, was geschehen ist."

Im Atomstreit mit dem Iran rief Peres die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Israel lehne "ein fanatisches Regime ab, das die Charta der Vereinten Nationen missachtet". Ein Regime, das Atomkraftwerke und Nuklearraketen besitze, mit denen es sein eigenes Land und andere Länder terrorisiere, "ist eine Gefahr für die ganze Welt". Eine Lehre aus dem millionenfachen Mord der Nazis an den Juden müsse sein: "Nie wieder dürfen blutrünstige Diktatoren ignoriert werden, die sich hinter demagogischen Masken verbergen und mörderische Parolen von sich geben."

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sicherte Israel die Unterstützung der Bundesrepublik zu: "Wir Deutschen tragen eine Mitverantwortung für den Staat Israel." Wo dessen Existenzrecht und dessen Sicherheit bedroht sei, "gibt es für uns Deutsche keine Neutralität". Mit Blick auf den Iran sagte Lammert, ein atomar bewaffneter Staat in Israels Nachbarschaft, "geführt von einem offen antisemitisch organisierten Regime", sei nicht nur für Israel unerträglich. "Die Weltgemeinschaft darf eine solche Bedrohung nicht dulden."

Peres war der erste israelische Präsident, der am Holocaust-Gedenktag im Bundestag sprach. Unter den sechs Millionen Juden, die dem Völkermord der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, waren auch seine Großeltern und weitere Verwandte. Vor genau 65 Jahren hatten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau befreit. Der 27. Januar wird seit 1996 auch in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen.

Tych, der zwischen 1995 und 2007 Direktor des Jüdischen Historischen Instituts Warschau war, schilderte seine Erfahrungen als Zeitzeuge und Historiker. Er sprach von einer "europäischen Komplizenschaft beim deutschen Staatsverbrechen" der Nazis. Die Aufarbeitung des Holocaust bleibe solange unvollständig und verzerrt, solange dies "nicht Bestandteil des europäischen historischen Bewusstseins wird".

Es sei längst kein Geheimnis mehr, dass fast in jedem europäischen Land, in dem die Nazis ihr Projekt zur Ausrottung der Juden verwirklichten, ein Teil der einheimischen Bevölkerung als Täter, "den Tätern geneigte Zuschauer" oder als Profiteure in den Völkermord verwickelt gewesen seien. Es habe Gleichgültigkeit und "Sünden der Unterlassung" gegeben. Lange sei diese "Komplizenschaft" mit den Besatzern "freiwillig tabuisiert oder marginalisiert" worden.

"In ihrer Dimension sind diese Vorfälle selbstverständlich nicht mit der sogenannten Endlösung der Judenfrage zu vergleichen", betonte Tych. Doch der Holocaust habe "in Teilen der Bevölkerung die niedrigsten Instinkte freigesetzt und sie in der Überzeugung bestärkt, dass man Juden immer ungestraft ermorden könne". Die moralischen Normen großer Bevölkerungsgruppen seien "bedenklich deformiert" worden. "Alle Polen wussten, dass die SS die Juden in den Tod schickte", fügte er als Beispiel hinzu. Tych hatte als kleiner Junge mit falschen Papieren den Holocaust in Warschau überlebt. (dpa/ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false