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Pressekonferenz mit den festgehaltenen OSZE-Militärbeobachtern: Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow (stehend) führt seine Geiseln den Journalisten vor.

© Reuters

Gefangene in der Ostukraine: OSZE-Beobachter in Geiselhaft

Eine Gruppe von OSZE-Militärbeobachtern wird in der Ostukraine von Separatisten festgehalten. Was läuft da - und wie ist ihre Lage? Ein Überblick.

Tauziehen um OSZE-Militärbeobachter in der Ostukraine: Die EU und der Westen sind durch die Gefangennahme von OSZE-Militärbeobachtern durch prorussischer Rebellen in eine schwierige Situation geraten. Die Separatisten benutzen sie als Geiseln, um eigene Kameraden, die von ukrainischen Sicherheitskräften festgenommen wurden, freizupressen. Eine der Gefangenen ist am Sonntagabend freigelassen worden, sieben weitere befinden sich weiterhin in der Gewalt der Aufständischen.

Was machen die OSZE-Vertreter eigentlich in der Ostukraine?

Man muss zwei Missionen unterscheiden: Mit Zustimmung all ihrer Mitgliedsstaaten – also nach zähem Widerstand auch Russlands – beschloss die OSZE am 21. März für zunächst sechs Monate einen zivilen Beobachtereinsatz in der Ukraine. Wenige Tage später wurden etwa hundert Beobachter vor allem in den Osten und Südosten des Landes entsandt, weitere sechs sind in Kiew tätig. An dem Einsatz nehmen derzeit zehn Deutsche teil.

Doch nach Angaben des Vizechefs des OSZE-Krisenpräventionszentrums, Claus Neukirch, sind die derzeit von Separatisten Festgehaltenen keine Mitglieder dieser diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Es handele sich vielmehr um eine bilaterale Mission unter Leitung der Bundeswehr und auf Einladung der ukrainischen Regierung. Grundlage für den Einsatz der Inspektoren ist das sogenannte „Wiener Dokument“. Es wurde 1990 beschlossen und gilt in den 57 OSZE-Staaten vom Atlantik bis zum Ural. In ihm sind Mechanismen verankert, die das Risiko einer militärischen Konfrontation verringern und mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedsländern schaffen sollen. Solche Inspektionen nach dem „Wiener Dokument“ haben nicht das breite Mandat einer OSZE-Mission, sondern sind unter den Staaten selbst vereinbart.

Hauptunterschied ist, dass Russland dem zivilen Einsatz zustimmen musste, dem der (unbewaffneten) militärischen Inspektoren aber nicht. Die Militärbeobachter können auf bilateraler Basis entsandt werden und sind unter wechselnder Führung schon seit Anfang März im Land. Dass sie von ukrainischen Soldaten begleitet werden, ist durchaus üblich. Das Team besteht aus drei deutschen Soldaten, einem deutschen Dolmetscher sowie einem Dänen, einem Polen, einem Tschechen und vier oder fünf ukrainischen Soldaten. Ein zunächst ebenfalls festgehaltener Schwede kam am Sonntagabend frei, weil er den Separatisten zu Folge an Diabetis erkrankt sein soll.

Die Linke in Deutschland kritisierte die Mission. Die Bundesregierung habe mit ihrer Entsendung der Beobachtergruppe unklug und „zutiefst unprofessionell“ gehandelt, sagte der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu, am Sonntag. Die Operation erweise der eigentlichen, diplomatischen OSZE-Mission einen Bärendienst.

Wer verhandelt da jetzt mit wem um die Militärbeobachter?

Die OSZE wird sich nicht nur mit Vertretern ukrainischer Behörden, sondern auch mit den zwei wichtigsten prorussischen Rebellenführern an den Verhandlungstisch setzen müssen: dem selbst ernannten Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, sowie Denis Puschilin, Chef der selbst erklärten „Volksrepublik Donezk“. Der 32-jährige Puschilin verlangt den Rücktritt der Regierung in Kiew, die nach einem „Staatsstreich“ illegal an die Macht gekommen sei. Der Mann aus Donezk gibt sich als Geschäftsmann aus. Vor zwei Jahren wollte er ins ukrainische Parlament einziehen, und obwohl ihm die Partei von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch einen Millionen Euro teuren Wahlkampf spendierte, scheiterte er. Beobachter in Kiew sind sich einig, dass Puschilin im Dienste der Russen und des Janukowitsch-Clans steht.

Auch Ponomarjow scheint eine „gelenkte Figur“ zu sein, obwohl niemand genau weiß, woher er stammt und wer hinter ihm steht. Gerüchten zufolge soll er einen militärischen Hintergrund haben und an Konflikten auf dem Gebiet der GUS- Staaten beteiligt gewesen sein. Nicht mal sein genaues Alter ist bekannt. Nur wenige Stunden nachdem Bewaffnete am 12. April die Polizeistation in Slawjansk besetzt hatten, tauchte der durchtrainierte Mann auf. Journalisten erzählte er, er sei der Besitzer der Seifenfabrik in Slawjansk, auch das wurde nie bestätigt.

Unter welchen Bedingungen werden die OSZE-Beobachter festgehalten?

Am Sonntag äußerte sich erstmals der Chef der Militärbeobachter-Gruppe, der deutsche Oberst Axel Schneider. In einer von den Separatisten veranstalteten Pressekonferenz erklärte er, alle Festgesetzten seien bei guter Gesundheit. Es habe keine körperlichen Misshandlungen durch die Separatisten gegeben. Zudem sei ihnen eine Garantie für ihre Sicherheit ausgesprochen worden. Sie seien „Gäste von Ponomarjow“ und „keine Kriegsgefangenen“, betonten die Männer. Außenminister Frank-Walter Steinmeier nannte die Zurschaustellung der OSZE-Beobachter und der ukrainischen Sicherheitskräfte als Gefangene „abstoßend“, sie verletze in eklatanter Weise die Würde der Betroffenen.

Die Geiseln werden offenbar in von den Besatzern eroberten Gebäuden festgehalten. In den Händen der prorussischen Rebellen befinden sich auch Gebäude des Geheimdienstes (SBU) und Polizeistellen. Das OSZE-Team sei am Freitag zunächst in Slawjansk in einem Keller untergebracht gewesen, berichtete der Oberst. „Dort mussten wir uns zunächst selbst einrichten. Seit gestern sind wir in einem komfortableren Aufenthaltsraum, der beheizt ist, untergebracht.“ Dort gebe es „Tageslicht und eine Klimaanlage“.

Wer hat noch die Macht in den Städten, wo Separatisten weiterhin Gebäude besetzen?

In Städten wie Slawjansk und einigen anderen kleineren haben die Rebellen offenbar die Kontrolle übernommen. Anderswo scheint es parallele Machtstrukturen zu geben. Seitdem das Gebäude der Regionalverwaltung in Donezk besetzt ist, arbeitet Gouverneur Sergej Taruta an wechselnden Orten, auch von seiner Konzernzentrale aus. Viele Dokumente in den besetzten Gebäuden sind den Rebellen in die Hände gefallen: Akten des Geheimdienstes, der Finanzbehörden, der Polizei, Staatsanwaltschaft und auch der Wahlkommissionen. mit rtr/dpa

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