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Gefangenenaustausch: Deutschlands stille Beteiligung

Der von Hamas-Aktivisten vor fünf Jahren verschleppte Gilad Schalit wird gegen 1027 palästinensische Häftlinge ausgetauscht. Ein BND-Mann war jahrelang in Vermittlungsbemühungen eingebunden

Die Bundesregierung lobte die Einigung über einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der palästinensischen Hamas. Aber weder sie noch der Bundesnachrichtendienst wollten etwas zu den Vermittlungsbemühungen des deutschen Top-Agenten Gerhard Conrad sagen. Das ist nicht ungewöhnlich, sind Vermittlungen durch Geheimdienstleute per se nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch im Falle des Deals zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit liegt der Grund für die Zurückhaltung möglicherweise auch darin, dass der BND-Agent nur eine vorbereitende Rolle gespielt hat, nicht aber die entscheidende, die jetzt zur Einigung geführt hat. Conrad hatte 2008 erfolgreich zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah vermittelt. Damals wurden die Leichen zweier israelischer Soldaten gegen fünf in Israel inhaftierte Hisbollah-Männer und 200 Leichen von Kämpfern der Miliz ausgetauscht. Dies war ein seltener Erfolg der deutschen Außenpolitik in Nahost. Damals gab es öffentliches Lob für den BND aus dem Kanzleramt.

Zwar dankte Israels Premier Benjamin Netanjahu am Mittwoch „dem deutschen Vermittler und Kanzlerin Angela Merkel, die seine Mission unterstützt hat“. Aber die gut informierte israelische Tageszeitung „Haaretz“ schreibt, dass der deutsche Vermittler nicht in die Verhandlungen der letzten Monate eingebunden war, sondern ägyptische Geheimdienstvertreter den Prozess führten.

Sicher ist, dass der BND-Agent Gerhard Conrad zunächst zwischen der israelischen Regierung und der Führung der islamistischen Hamas im Gaza-Streifen vermittelt hat. Zuletzt soll er nach Angaben der panarabischen Zeitung „Al Hayat“ im April im Gaza-Streifen gewesen sein. Doch anschließend lehnte die Hamas einen Vorschlag ab, den sie als zu einseitig zugunsten Israels empfand. Der Agent sei zu sehr auf die unnachgiebige Haltung Netanjahus eingeschwenkt und hinter Absprachen, die mit seinem Vorgänger Ehud Olmert getroffen worden waren, zurückgefallen. Darauf sagte sich die Hamas öffentlich von dem BND-Agenten los. Der stellvertretende Leiter des Politbüros der Hamas, Moussa Abu Marzouq, erklärte, Conrad werde nicht weiter vermitteln. Wenig später sagte Marzouq im TV-Sender Al Aqsa, dass es neue Vermittler gebe. Allerdings soll Conrad am 3. Oktober erneut in Kairo eingetroffen sein, um sich mit ägyptischen Unterhändlern zu treffen.

„Berühmt“ geworden ist Gerhard Conrad mit seiner Vermittlung zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah, die nach 18 Monaten im Juli 2008 zur Einigung führte. Damals enttarnte die israelische Zeitung den BND-Mann, der in der Behörde „Mr. Hisbollah“ genannt wurde. Der etwa 50-Jährige gilt als Experte der Region, wo er auf Posten in Damaskus, Beirut und Jerusalem war. Auch die Ehefrau Conrads arbeitet für den BND.

Möglich geworden ist der jetzige Deal wohl vor allem durch die geopolitischen Veränderungen in der Region, die auf beiden Seiten die Kompromissbereitschaft stärkten. Hamas war nach dem Gang von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor die Vereinten Nationen politisch im Abseits gelandet. Und der durch die Sozialproteste unter Druck stehende Netanjahu ist innenpolitisch auf Erfolge angewiesen – und außenpolitisch am Erhalt guter Beziehungen zu Ägypten interessiert, deren Vermittlung er nun lauthals loben kann. Zufällig wollte sich Israel noch am Mittwoch bei Ägypten dafür entschuldigen, dass es kürzlich mehrere ägyptische Grenzsoldaten getötet hat.

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