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Politik: Geheime Verschlusssache

Premier Blair lässt seine Informationspolitik nun doch untersuchen – von einem Ausschuss, den er kontrolliert

DER STREIT UM IRAKS WAFFEN

Wenn Tony Blair in Bedrängnis ist, läuft er zu Bestform auf. Bohrende Fragen zu Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen schmetterte er am Mittwoch in der Fragestunde des Unterhauses eine nach der anderen ab. Immer wieder verwies er darauf, dass sich der Geheimdienstausschuss des Unterhauses mit allen Vorwürfen und Behauptungen befassen werde, und schüttelte über die wiederholten Attacken von Oppositionsführer Iain Duncan Smith fassungslos den Kopf. „Er hat ja selbst die Briefings der Geheimdienste gesehen“, rief der britische Premier ins voll besetzte Unterhaus.

Angesichts des immensen öffentlichen und politischen Drucks hatte Blair am Dienstagabend eine Untersuchung der Vorwürfe durch den Parlamentsausschuss angeordnet. „Dies ist die richtige Vorgehensweise“, sagte Blair. Viele Abgeordnete indes halten eine Prüfung durch den Geheimdienstausschusses für nicht ausreichend, da Blair ihren Verlauf und die Veröffentlichung der Ergebnisse kontrollieren kann. Einen Antrag der Liberaldemokraten, ein Untersuchungsverfahren gegen Blair einzuleiten, lehnte das Parlament jedoch mit 301 zu 203 Stimmen ab.

Blair dementierte eine Reihe von Behauptungen, die in den vergangenen Tagen die Runde machten – unter anderem bezeichnete er einen Bericht der „Mail on Sunday“, wonach Joschka Fischer Blair gerügt habe, als „reine Fiktion“ und wedelte zum Beweis mit einer Erklärung der deutschen Botschaft in der Luft.

Zum ersten Mal setzte Blair sich auch explizit mit der Behauptung auseinander, die den Stein ins Rollen brachte und den für ihn gefährlichen Kern der Vorwürfe darstellt: Die Warnung, Saddam Hussein könne einen Chemiewaffenangriff binnen 45 Minuten starten, basiere auf der übereinstimmenden Einschätzung des Joint Intelligence Committee (JIC) und sei keineswegs auf eigene Faust und gegen den Willen der Geheimdienste in das im September 2002 veröffentlichte Geheindienstdossier eingefügt worden. „Diese Behauptungen sind absolut falsch“, sagte Blair. Das Komitee, dem die Spitzen der Sicherheits- und Nachrichtendienste angehören, koordiniert die Auswertung von Geheimdienstinformationen durch die Regierung. Blair forderte erneut Geduld. Die fast 1400 Untersuchungsbeamten der von den USA neu gegründeten Iraq Survey Group, die sich nun mit Saddams Waffenprogrammen befassten, hätten gerade erst die Arbeit aufgenommen. Beteiligt sind auch britische und australische Experten.

Oppositionsführer Smith konzentrierte seine Fragen auf ein einziges Thema: die Behauptung von Parlamentsminister John Reid, „Elemente“ in den Geheimdiensten wollten durch Indiskretionen die Regierung untergraben. Smith warf Blair vor: „Niemand glaubt mehr ein Wort von dem, was der Premierminister sagt.“ Reids „schändliche“ Vorwürfe machten die gesamte Regierung unglaubwürdig. Zwar bestätigte Blair Reids Darstellung, doch diese Sabotageversuche kämen nicht aus Kreisen des JIC. Mit dieser Aussage konterte Blair die Bemühungen der Opposition, einen Keil zwischen Regierung und Geheimdienste zu treiben.

Seine Stellungnahme hatte Blair mit einer glühenden Verteidigung seiner Irak-Politik eröffnet. Abgesehen von den Massenvernichtungswaffen seien die Iraker hocherfreut, dass der brutale Diktator gestürzt sei: „Das britische Volk kann stolz auf die Rolle sein, die es dabei spielte“, sagte Blair.

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