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Politik: Geht Abbas auf Hamas zu?

Palästinenserpräsident fordert von Radikalen offenbar weder Gewaltverzicht noch Anerkennung Israels

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Die radikalislamistische Hamas beginnt am heutigen Samstag damit, nach ihrem Wahlsieg die Macht in den palästinensischen Gebieten zu übernehmen. Das von ihr beherrschte Autonomieparlament tritt erstmals zusammen. Internationale Beobachter erwarten, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dabei die Hamas zu Mäßigung ermahnen wird. Abbas, Chef der bei der Wahl deutlich unterlegenen Fatah, wird aber vermutlich auch klarstellen, dass er dem von Hamas vorgeschlagenen Abgeordneten den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Neuer Regierungschef dürfte demnach der als moderat eingestufte Spitzenkandidat bei den Wahlen, Ismail Haniyah, werden. Die Hamas hat 74 der 132 Sitze im palästinensischen Autonomieparlament.

Am Freitag sickerte durch, dass Abbas darauf dringen will, dass auch unter einer Hamas-Regierung den Milizen das illegale Tragen von Waffen verboten sein soll. Außerdem wolle er die neue Regierung ermahnen, die geschlossenen Abkommen mit Israel anzuerkennen.

Doch die zwei anderen wichtigen Prinzipien, von denen das Ausland – insbesondere die USA, Israel und die EU – weitere Hilfe beziehungsweise politische Verhandlungen abhängig machen, soll Abbas angeblich fallen gelassen haben. Er werde, so heißt es aus ihm nahe stehenden Kreisen in Ramallah, von der Hamas weder die ausdrückliche Anerkennung Israels beziehungsweise des Existenzrechtes des jüdischen Staates verlangen noch einen absoluten Gewaltverzicht fordern. Die Anerkennung Israels erfolge, dies scheint die Argumentation von Abbas zu sein, ohnehin de facto indirekt durch die Anerkennung der Abkommen. Zudem verlautete, statt eines Gewaltverzichts biete Hamas einen langjährigen Waffenstillstand an.

Wie schwierig die Aufgabe für die von Hamas zu bildende Regierung sein wird, lässt bereits die Eröffnungssitzung des Parlaments erahnen. Von den 132 gewählten Abgeordneten können 14 nicht teilnehmen – sie sitzen in israelischen Gefängnissen. Da Israel allen Hamas-Mitgliedern mit Verhaftung droht, muss die Sitzung aufgeteilt werden: Die Abgeordneten aus dem Westjordanland und Ost-Jerusalem treffen sich im Sitzungssaal der Mukata, des Regierungssitzes in Ramallah, diejenigen aus dem Gazastreifen sind mit ihnen im Parlamentsgebäude in Gaza per Videokonferenz verbunden. Nach Ansicht führender Fatah-Abgeordneter lässt sich auf Dauer so nicht arbeiten.

Israels Sicherheitskabinett unter dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert beriet am Freitag über das künftige Vorgehen gegenüber den Palästinensern, will aber offenbar zunächst die weitere Entwicklung abwarten, bevor drastische Maßnahmen beschlossen werden. Im Gespräch sind die totale Sperrung des Gazastreifens, die Verhinderung jeglichen Verkehrs zwischen Gazastreifen und Westjordanland und die Sperrung aller Hilfsgelder. Der mögliche neue palästinensische Ministerpräsident Haniyah sagte, die Palästinenser würden trotz solcher Sanktionen nicht in die Knie gehen.

Deutschland und Großbritannien bekräftigten die harte Haltung der EU gegenüber der Hamas. Nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in Berlin sagte Kanzlerin Angela Merkel, beide Länder seien sich einig über die Bedingungen, die von der Hamas erfüllt werden müssten, bevor eine Kooperation möglich sei. Konkret nannte sie die Anerkennung Israels, einen Gewaltverzicht und die Akzeptanz der bisher im Friedensprozess erzielten Fortschritte. Ähnlich äußerte sich Blair. Nach seiner Auffassung kann die EU „eine wichtige Rolle dabei spielen, den Friedensprozess voranzubringen“, vorausgesetzt, die Palästinenser akzeptierten diese Bedingungen.

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