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Politik: Geiseln der Religion

Kopten dürfen sich nicht scheiden lassen – außer sie treten zum Islam über. Das schürt Konflikte

Berlin -  Im Fernsehen war nach dem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria am Silvesterabend weltweit immer wieder ein junger Kopte zu sehen, der verzweifelt fragte: „Warum, warum, warum?“ Eine Antwort darauf gibt es nicht. Aber wenn die Attentäter aus dem Umfeld der Al-Qaida-Ideologie kommen, gibt es einen Hinweis, womit sie den neuartigen Terror gegen Christen in Ägypten zu rechtfertigen versuchen.

Denn der Ableger von Al Qaida im Irak, der sich im November zum Anschlag auf die Kathedrale von Bagdad bekannte, hatte gleichzeitig Anschläge auf Kopten in Ägypten angekündigt. Die koptische Kirche habe eine Frist, zwei angeblich zum Islam konvertierte Frauen freizulassen, verstreichen lassen, hieß es damals. Die Geschichte der zwei ägyptischen Frauen, die von Al Qaida im Irak namentlich genannt werden, erregt seit langem die Gemüter der Ägypter, von Muslimen und Christen gleichermaßen, und hat bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt.

Sie hat ihren Ursprung in der radikal- konservativen Auslegung christlicher Texte durch das koptische Oberhaupt Baba (Papst) Shenouda III., welche die Scheidung und Wiederheirat für Kopten fast unmöglich macht. Das Familienrecht unterliegt in Ägypten den religiösen Instanzen, eine Zivilehe gibt es nicht. Und Baba Schenouda III., der seit fast 40 Jahren die Kopten führt, lässt eine Scheidung und das Recht auf Wiederheirat nur in drei Fällen zu: Ehebruch, Übertritt zu einer anderen christlichen Religion oder zum Islam. Gewalt in der Ehe beispielsweise ist kein Scheidungsgrund. Daher konvertieren nach Angaben von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen regelmäßig koptische Frauen, die einer unerträglichen Ehe entgehen wollen, zum Islam, um eine Zwangsscheidung durchzusetzen und die Möglichkeit der Neuheirat zu erhalten. Der Islam erlaubt Scheidung und Wiederheirat.

Angeblich sollen auch die Ehefrauen zweier koptischer Priester, Camelia Zakhir und Wafa Constantine, zum Islam konvertiert sein. Die eine habe ihrem angeblich homosexuellen Ehemann entkommen wollen, heißt es. Kopten behaupten, die kurzzeitig untergetauchten Frauen seien zur Konversion gezwungen worden. Als die Polizei die beiden Frauen fand, übergab sie sie der koptischen Kirche. Die eine, Constantine, ist seit 2004 in einem Kloster verschwunden, Shehata ist seit Sommer 2010 verschollen. Radikale Muslime fordern die Freilassung der Frauen, die zum Islam konvertiert seien und gegen ihren Willen festgehalten würden.

Eine winzige Gruppe liberaler Kopten fordert seit Jahren eine Lockerung des koptischen Scheidungsverbots, da die Religionsübertritte eine ständige Quelle der Spannung zwischen beiden Religionsgemeinschaften darstellen. Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte leben in Ägypten außerdem tausende Kopten, die de facto geschieden sind, aber nach Auffassung der Kirche verheiratet bleiben und nicht neu heiraten können.

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