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Politik: Geisterstunde

Ein Schloss in Wales, nächtliche Laborversuche, ein toter Ahnherr, dessen Leiche verschwunden ist, und sehr lebendige Nachkommen, die am liebsten per Motorrad durch die walisischen Berge düsen. Dazu Liebe und Literatur, frühe Klonversuche und dann auch noch ein Mord nach Mitternacht.

Ein Schloss in Wales, nächtliche Laborversuche, ein toter Ahnherr, dessen Leiche verschwunden ist, und sehr lebendige Nachkommen, die am liebsten per Motorrad durch die walisischen Berge düsen. Dazu Liebe und Literatur, frühe Klonversuche und dann auch noch ein Mord nach Mitternacht.

Das Material für einen Gothic Thriller ist da, und der ungarische Autor Antal Szerb schwelgt mit Lust in der Kolportage, wenn er seinen Helden, einen jungen ungarischen Wissenschaftler mit besonderem Faible für die Mystik des 17. Jahrhunderts, auf die Bildungsreise schickt. Natürlich dürfen Unwetter, Geister, unheimliche Burgen, historische Manuskripte mit geheimen Nachrichten, ein verrückter Earl, eine dämonische Femme fatale und das Rätsel der Rosenkreuzer nicht fehlen. Doch auch ein romantisches Picknick am See ist in rechter Begleitung nicht zu verachten.

Mit seinem 1937 erschienenen Roman „Die Reise im Mondlicht“ ist der 1901 geborene und 1945 im Internierungslager Balf umgekommene Schriftsteller und Literaturprofessor vor einem Jahr in Deutschland wiederentdeckt worden, als eine der großen Stimmen der ungarischen Literatur. Die drei Jahre zuvor, 1934, entstandene „Pendragon-Legende“ ist gleichsam das Gegenstück zu Szerbs spätem Erfolgsroman. In ihr, so György Poszler im Nachwort der deutschen Ausgabe, geht es um das „äußere Wunder“, in der „Reise im Mondlicht“ hingegen um das „innere Wunder“, das, was vom Alltag besiegt wird.

Nun sind die inneren Wunder die größeren, keine Frage, und an den stillen Zauber von „Die Reise im Mondlicht“ reicht die fabulierfreudige, handlungsreiche „Pendragon-Legende“ nicht heran. Doch auch das Frühwerk ist wunderbare Schnelllektüre, vor allem durch die selbstironische Erzählhaltung, hinter der wir durchaus die Haltung des Autors selbst vermuten dürfen. Denn der Ich-Erzähler János Bátky ist nach eigener Darstellung zwar ein erfolgreicher Frauenheld, vielversprechender Wissenschaftler und liebenswürdiger Mensch. Doch eigentlich ist er ein ausgewachsener Trottel mit einem Büchertick. Und wir anderen Büchertrottel glauben ihm gern.

Dieses Buch bestellen Antal Szerb: Die Pendragon-Legende. Roman. Aus dem Ungarischen von Susanna Großmann-Vendrey. dtv, München. 312 Seiten, 14,50 €.

Christina Tilmann

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