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Politik: Gelbe Schleifen und wachsende Skepsis in den USA

WASHINGTON .Gelbe Schleifen hängen wieder an Straßenlaternen, Zäunen und Strommasten.

WASHINGTON .Gelbe Schleifen hängen wieder an Straßenlaternen, Zäunen und Strommasten.Denn drei junge US-GIs aus Michigan, Kalifornien und Texas sind seit der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in serbischer Hand.Der Krieg in Kosovo hat dadurch für die Amerikaner plötzlich ein Gesicht bekommen.Die Blessuren in den übermüdeten und verängstigten Mienen der drei Soldaten sind innerhalb von Stunden zum Fanal dafür geworden, daß es Krieg ohne Risiko nicht gibt, daß es eben doch kein Videospiel ist, was auf dem Balkan geschieht.

Bill Clinton ist unter enormen Rechtfertigungsdruck geraten.Am Donnerstag sagte der Präsident bei einem Auftritt vor Soldatenfamilien in Virginia, er werde seinen Gegenspieler Slobodan Milosevic persönlich für das Schicksal der drei Gefangenen verantwortlich machen.Ebenso wie Verteidigungsminister Cohen drohte Clinton mit gleich düsteren wie vagen Konsequenzen, auf die Belgrad sich einstellen müsse, sollten die drei GIs nicht gemäß der Genfer Konvention behandelt werden.

Als "offensichtlich schwachsinnig" bezeichnete Außenamts-Sprecher Rubin die Pläne Serbiens, die drei Soldaten vor Gericht zu stellen.Der NATO-Oberkommandierende Wesley Clark meinte: "Wie die behandelt werden - das paßt uns nicht.Und wir haben ein langes Gedächtnis!" Cohen bezeichnete die Verschleppung der drei als "illegale Entführung" und titulierte einen möglichen Prozeß gegen die US-Soldaten als "Känguruh-Gericht".

Noch wird geprüft, wie genau es zu der Festnahme der drei kam.In ihrem letzten Funkspruch hatten sie an ihre Einheit gemeldet: "Wir werden direkt beschossen ...Wir sind in einer Falle ...Wir sind umzingelt ...Wir kommen nicht raus." Dann brach die Leitung ab.Ob die Soldaten auf der mazedonischen oder jugoslawischen Seite der Grenze waren, ist ungewiß.Der jugoslawische UN-Botschafter sagte am Donnerstag, ein Militärgericht müsse prüfen, was die Mission der US-GIs gewesen sei.Hätten sie versucht, Kontakt zu UCK-Kämpfern aufzunehmen, seien sie der Unterstützung von Terroristen schuldig.

Washington beharrt darauf, die Verschleppten seien Teil jener UN-Friedenstruppe, deren Mandat vor ein paar Wochen auslief und die daraufhin in die "Extraction Force" umgebaut wurde, die Eingreiftruppe, die zur Rettung von OSZE-Beobachtern in Kosovo eingerichtet worden war.Ob es jugoslawische Bundessoldaten, Paramilitärs oder Zivilisten waren, die die US-Soldaten festsetzten, ist unklar.

Für jenen Teil der ohnedies skeptischen US-Öffentlichkeit, der sich bislang nicht intensiv um den Kosovo-Krieg gekümmert hat, waren die Fernsehbilder der US-Soldaten in serbischer Hand am Donnerstag morgen ein böses Erwachen.Am Freitag folgten die nicht minder bösen Kommentare, vor allem in der Regionalpresse abseits der Außenpolitik-fixierten Ostküstenzeitungen."Kontraproduktiv und kurzsichtig" sei der NATO-Einsatz, befand Robert Friedman von der "St.Petersburg Times" in Florida.Viel zu spät tue Clinton viel zu wenig, um sein Volk und den Kongreß von der Notwendigkeit des Einsatzes zu überzeugen.Vom "völligen Fehlen eines klar formulierten Kriegszieles" sprach Rob Elder von den "San Jose Mercury News" aus Mittel-Kalifornien.Clinton müsse endlich Führungskraft zeigen.Beth Barber vom "Cleveland Plain Dealer" in Ohio meinte: "Die NATO hat präzise das erreicht, was sie verhindern wollte." Und Don Wycliff von der "Chicago Tribune" schrieb: "Wir sind strikt gegen Bodentruppen, vor allem amerikanische.Und vor allem deshalb, weil diese Regierung einen solchen Einsatz nicht klar geregelt kriegen würde."

Aufschlußreich ist die Tendenz in den Leserbrief-Spalten.Die "St.Petersburg Times" bekam bislang nicht eine Zuschrift, die Unterstützung für das NATO-Engagement für Kosovo zeigte."Nicht einen einzigen Brief, der sich für Clintons Kurs ausspricht", haben auch die "San Jose Mercury News" erhalten, wie Rob Elder berichtet."Überraschend wenige" Beiträge zum Kosovo verzeichnet die "Chicago Tribune".In den eingegangenen Leserbriefen findet sich laut Wycliff "keinerlei Unterstützung für Bodentruppen oder ein aktiveres militärisches Engagement"."Mehrheitlich gegen den Einsatz" seien auch die Lesermeinungen in Cleveland, so Barber.

Die Meinungsforscher von Gallup haben auf die relativ weiche Formulierung, ob die Beteiligung Amerikas an der Kosovo-Mission richtig sei, gerade 50 Prozent Unterstützung gemessen.64 Prozent der US-Bürger sagten noch vor wenigen Tagen, die Vereinigten Staaten hätten eine "moralische Pflicht, dabei zu helfen, den Frieden in Kosovo zu bewahren".Die anschwellenden Flüchtlingsströme haben seither kräftig an dieser Zustimmungsrate genagt.Eigene, nationale US-Interessen konnten nur 43 Prozent im Kosovo entdecken.Bodentruppen im Falle eines Scheiterns der Luftangriffe befürworteten in der Gallup-Umfrage vom 25.März 31 Prozent der Befragten.

Daß die Öffentlichkeit mit moralischen Appellen eher überzeugt werden kann als mit Darlegungen strategischer Interessen, ist nichts neues.Der beste Kommunikator war in dieser Hinsicht George Bush.75 Prozent der US-Bürger hießen den Luftkrieg gegen Bagdad gut, noch 68 Prozent den Landkrieg gegen Saddam.Fast alle anderen militärischen Einsätze der USA innerhalb der letzten zwanzig Jahre - Grenada, Libanon, die Ergreifung General Noriegas, Somalia, Haiti, Sudan/Afghanistan - fanden nur ähnlich dürftige Unterstützung wie jetzt das Engagement für Kosovo: Raten zwischen 40 und 50 Prozent.Die Teilnahme der USA an IFOR und SFOR in Bosnien hielten anfangs gleichfalls nur 40 Prozent der US-Bürger für richtig, mittlerweile sind es knapp über 50 Prozent.

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