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Bringen sie den Frieden? Donald Trump (links), Jared Kushner (Mitte) und Benjamin Netanjahu (rechts).

© Carlos Barria/Reuters

„Geld gegen Frieden“ wird nicht funktionieren: Der Kushner-Plan ignoriert die Geschichte der Palästinenser

Trump-Schwiegersohn Kushner will den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht abkaufen. Doch der Nahost-Plan der USA wird nicht aufgehen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es war einmal ein Friedensprozess im Nahen Osten. Land gegen Frieden, hieß das Motto, zwei Völker, zwei Staaten. Dann wurde Israels Premierminister Jitzhak Rabin ermordet, der Friedensprozess brach zusammen, der Mitchell-Plan (benannt nach US-Senator George Mitchell) wurde ins Leben gerufen, gefolgt vom Tenet-Waffenstillstand (nach CIA-Direktor George Tenet) und dem Zinni-Plan (nach dem US-Sondergesandten Anthony Zinni).

So ging es viele Jahre weiter. Plan folgte auf Plan, Initiative auf Initiative. Eine Roadmap wurde skizziert, eine Konferenz in Annapolis organisiert. Doch jedes Licht am Ende des Tunnels entpuppte sich regelmäßig als Scheinwerfer eines entgegenkommenden Zuges.

Jetzt versucht der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner, sein Glück. Die Botschaft des von ihm ausgeklügelten „Frieden-zum-Wohlstand“-Plans lässt sich frei übersetzen mit „Friss oder stirb“. Die Devise „Land gegen Frieden“ heißt nun „Geld gegen Frieden“. Massive Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Hausbau sind vorgesehen, die wirtschaftlichen Potenziale in den palästinensischen Gebieten sollen entfesselt werden, Dubai und Singapur Vorbilder für Westbank und Gazastreifen sein.

Das sind ehrgeizige Ziele, denen ein einfaches Kalkül zugrunde liegt. Israel ist, 52 Jahre nach Beginn der Besatzung, ein starkes und prosperierendes Land. Das Militär ist mächtig, die digitale Industrie boomt. Mit Ägypten und Jordanien wurde Frieden geschlossen, US-Präsident Trump ist geradezu vernarrt in Benjamin Netanjahu und dessen religiös-nationalistische Regierungskoalition. Und Saudi-Arabien macht eifrig bei der Anti-Iran-Front mit.

Ein Volk ist erst frei, wenn die Besatzung endet

Die Palästinenser wiederum sind demoralisiert und zerstritten. Korruption und Missmanagement sind an der Tagesordnung. Raketenterror untermauert die eigene Inkompetenz. Nur realitätsblinde Optimisten können in dieser Lage noch von einem eigenen palästinensischen Staat träumen. Allen anderen, so das Kalkül, soll das Recht auf Selbstbestimmung abgekauft werden. Ist Wohlstand ohne Staat, gekoppelt an den Verzicht auf diesen Staat, nicht besser als Armut ohne Staat – und ohne Aussicht auf diesen Staat?
Alle Menschen sind käuflich, es kommt nur auf den Preis an: In Trumps Menschenbild mag das so sein. Aber stimmt es? Die Geschichte der Revolutionen, der Bürger- und Befreiungskriege deutet in eine andere Richtung. Auch unter Inkaufnahme von Repressalien und eigener Opfer haben Menschen für Freiheit, Souveränität und Demokratie gekämpft. Wer glaubt, dass sich die Palästinenser auf den Deal „Wohlstand gegen Würde“ einlassen, kennt deren Geschichte nicht – oder ignoriert sie.
„Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“, schrieb Theodor Herzl nach dem ersten Zionistenkongress 1897 in Basel. Die von ihm mitgegründete Bewegung war getrieben von dem Wunsch, sich jeder Fremdherrschaft zu entledigen. Bei aller Unvergleichbarkeit: Ein Volk ist erst frei, wenn die Besatzung endet. Vielleicht trägt der Kushner-Plan dazu bei, diese Banalität wieder ins Bewusstsein zu bringen. Dann könnte das Resümee lauten: immerhin.

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