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Politik: "Geld macht süchtig" - Interview mit dem neuen Chef Franz-Hermann Brüner

Franz-Hermann Brüner (54) leitet in Brüssel seit dem 1. März das Anti-Betrugs-Amt Olaf (Office de lutte anti-fraude).

Franz-Hermann Brüner (54) leitet in Brüssel seit dem 1. März das Anti-Betrugs-Amt Olaf (Office de lutte anti-fraude). Der Münchner Oberstaatsanwalt, der vor seiner Berufung nach Brüssel unter anderem eine Anti-Betrugseinheit in Bosnien aufbaute und Anfang der neunziger Jahre die Anklageschrift gegen Erich Honecker mitverfasste, hat ein weites Aufgabenfeld: Subventionsbetrug und Korruption im EU-Betrieb.

Herr Brüner, Sie haben gerade noch die Korruption in Sarajevo bekämpft. Jetzt haben Sie Ihr Arbeitsfeld nach Brüssel verlegt. Das muss eine ziemliche Umstellung sein.

Natürlich. Aber die Hauptaufgabe des Betrugsbekämpfungsamtes Olaf ist nicht nur die Korruption in der Kommission und bei den EU-Mitgliedstaaten. Wir sind auch ein großes Service-Unternehmen für die Mitgliedsländer, damit auf allen Ebenen die finanziellen Interessen Europas gewahrt bleiben.

Zu Ihren Konkurrenten im Feld der Bewerber für das Amt des obersten europäischen Betrugsbekämpfers gehörte auch der italienische Staatsanwalt Antonio Di Pietro. Er hat gerade daran erinnert, dass in der italienischen Schmiergeld-Affäre auch Firmen aus dem angeblich korruptionsfreien Norden Europas beteiligt waren, Diese Firmen haben italienische Politiker bestochen. Überrascht Sie das?

Ich habe mich immer gegen diese Verallgemeinerung vom "sauberen Norden" gewehrt. Ich bleibe dabei: Geld macht süchtig - im Norden wie im Süden. Vielleicht gibt es in dem einen oder anderen Land mehr Kontrollen als anderswo - aber die Verlockung ist überall vorhanden.

Was sagen Sie als Oberstaatsanwalt zum Ausmaß der CDU-Spendenaffäre?

Das hat mich nicht überrascht. Wie die Parteien Geld sammeln, ist für mich mehr eine moralische Frage.

Ihre Aufgabe besteht nun darin, Strukturen innerhalb der EU aufzudecken, die Korruption, Subventionsbetrug und Geldverschwendung fördern. Sind Sie in den ersten vier Wochen Ihrer Amtszeit schon fündig geworden?

Ich richte mein Augenmerk zurzeit darauf, dass die Arbeit innerhalb der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf kontinuierlich weitergeht und dass dort eine Struktur aufgebaut wird, um die gestellten Aufgaben noch besser verfolgen zu können. Hinzu kommt die Arbeit mit den EU-Mitgliedsländern.

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi wünscht sich, dass Olaf so stark wie möglich ist. Das Vorgänger-Amt, das im Brüsseler Jargon Uclaf hieß, fiel vor allem durch geschönte Berichte auf.

Die Reform der Behörde läuft jetzt seit einem Jahr. Der Wandel von einer Kommissions-Dienststelle zu einer unabhängigen Ermittlungsbehörde ist im Gange. Natürlich muss es erhebliche Veränderungen geben - und die werden derzeit in die Wege geleitet.

Aber Ihr Amt hat immer noch eine Zwitterstellung. Eigentlich soll ihre Behörde unabhängig sein. Doch formal gehört Olaf zur EU-Kommission.

Ich habe eigene Personalhoheit. Ich habe einen Haushalt - den die EU-Institutionen natürlich bewilligen müssen.

Würden Sie denn gegebenenfalls auch das Büro von Herrn Prodi oder anderen Kommissionsmitgliedern durchsuchen lassen?

Wenn sich dafür Anhaltspunkte ergeben, dann würde ich von meiner normalen beruflichen Tätigkeit her sagen: Natürlich - ohne Ansehen der Person. Wenn sich das ergibt, ist das eine Sache, die man natürlich durchführen muss. So eine Frage würden Sie doch einem Staatsanwalt auch nicht stellen. Es geht hier einfach um die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, die die anderen EU-Institutionen genauso betreffen. Olaf ist keine wildernde Räubertruppe, sondern ein Organ, das auf seine Arbeit konzentriert ist - nämlich den Missbrauch der finanziellen Mittel innerhalb der EU zu ermitteln.

Das Brüsseler Dickicht ist selbst für manche langgediente EU-Beamte schwer zu durchschauen. Ist Ihnen in den vergangenen vier Wochen schon schwindelig geworden?

Die EU-Kommission ist eine Großverwaltung, die wie jede größere Verwaltung ihre Schwierigkeiten hat. Ich habe gute Pfadfinder, die mir den Weg durch diese Institutionen erleichtern. Ich habe nicht das Gefühl, dass das verwirrender ist als manche andere deutsche Behörde. Auch die Zusammenarbeit mit allen EU-Mitgliedsländern - das kann ich nach einem Monat wirklich schon sagen - läuft gut.

Wo wird mehr Missbrauch betrieben: Innerhalb der EU-Kommission oder bei der Subventionsvergabe in den Nationalstaaten?

Man muss sehen, wo mehr Geld ausgegeben wird. Natürlich bietet der Subventions-Topf des EU-Haushaltes die größten Möglichkeiten. Ich glaube aber andererseits, dass das sehr auf französischer Kontrolle beruhende System der Ausgabenüberwachung im Grundsatz funktioniert. Es ist keineswegs die Regel, dass Mittel fehlgeleitet werden.

Der Europäische Rechnungshof geht davon aus, dass fünf Prozent der EU-Mittel in dunklen Kanälen versickern.

Wenn Sie einen Rechnungshof-Bericht in Deutschland lesen, dann sehen Sie ja auch, dass dort nicht immer alles so korrekt verläuft, wie man sich das vorstellt. Natürlich bietet sich in einem Subventionshaushalt, wie der EU-Haushalt einer ist, ein anderer Ansatzpunkt für Missbrauch.

Hat die EU schon zu viele Aufgaben an sich gerissen?

Ich sehe meine Aufgabe nicht als ein politisches Amt. Ich kann nur Fakten feststellen und diese zur Diskussion stellen. Die Rückschlüsse daraus müssen politisch getroffen werden. Das System, wie es jetzt läuft, hat sich in der Grundtendenz bewährt und muss wohl auch so sein. Anders ist es wohl auch nicht machbar. Die Mittelvergabe wird durch die EU-Erweiterung noch ganz andere Dimensionen annehmen müssen, um die Differenzen zwischen den Ländern auszugleichen. Weil es Missbrauch gibt, muss man nicht das ganze System in Frage stellen. Aber man muss es verbessern.

Ist es schon Günstlingswirtschaft, wenn EU-Parlamentarier Familienangehörige als Mitarbeiter beschäftigen?

Das ist eine Entscheidung, die nicht mir obliegt. Die Gremien des Parlamentes sollten entscheiden, wer wann wen wie beschäftigen darf. Wenn das bekannt ist, ist das ja keine strafbare Handlung - das sage ich ganz neutral.

Wie würden Sie heute die Rolle des Paul van Buitenen beurteilen - jenes einfachen EU-Beamten, der sein Wissen über EU-Betrugsfälle an das Europaparlament weitergab und zum Sturz der alten EU-Kommission beitrug?

Als einen Informanten, der die Informationen, die er hatte, öffentlich verbreitet hat. Das ist nichts so Ungewöhnliches.

Ist Ihr Amt der Vorläufer zum europäischen Staatsanwalt?

Im Aufbau wird Olaf eine ähnliche Struktur wie eine Staatsanwaltschaft haben - mit Teilen, die Ermittlungen durchführen. Wenn man das forciert, hätte man eine Behördenstruktur, die man zur Staatsanwaltschaft umformen könnte. Das ist ein stufenweiser Prozess, der nach und nach in Gang kommt. Wir bewegen uns auf allen Gebieten. Die Justiz ist ein Instrument, das bei solchen Entwicklungen naturgemäß nicht an vorderster Front steht, sondern eher im letzten Glied. Das ist kein europäisches, sondern ein weltweites Problem. Das Gespräch führte Albrecht Meier

Herr Brüner[Sie haben gerade noch die Korrup]

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