zum Hauptinhalt

Politik: Gellende Pfiffe im Walde

Es ist ein bißchen wie bei einer Trauerfeier, einer Trauerfeier unter Revolutionären.Nach dem Motto: Wir werden den Kampf fortsetzen, sein Vermächtnis in Ehren halten.

Von Matthias Schlegel

Es ist ein bißchen wie bei einer Trauerfeier, einer Trauerfeier unter Revolutionären.Nach dem Motto: Wir werden den Kampf fortsetzen, sein Vermächtnis in Ehren halten.Die PDS gedenkt Oskar Lafontaines.Es ist ein historischer Tag, will die PDS glauben machen.Nur die raufenden Kameraleute, die Kabelsalate und Mikrofonbüschel passen nicht ganz zum feierlichen Ambiente.Auch das Transparent im Hintergrund, Relikt von der letzten Pressekonferenz, "Europa, wir kommen", mag sich nicht ins Bild fügen.Oder doch?

Die Ambivalenz, mit der die Partei des Demokratischen Sozialismus auf den Abgang des Finanzministers und SPD-Vorsitzenden reagiert, ist in der stickigen Luft des viel zu engen Raumes im Karl-Liebknecht-Haus zu greifen.Da ist die überschwengliche Laudatio auf den Mann, "der die SPD aus einer tiefen inneren Krise gebracht und sie handlungs- und politikfähig gemacht hat".Lothar Bisky besorgt das Geschäft der linken Sozialdemokratie, die sich solches zu sagen nun womöglich nicht mehr traut.Das "fragile Bündnis zwischen den beiden Hauptströmungen der SPD" sei zerbrochen - zwischen denen, die auf Fortführung des neoliberalen Kurses setzen, und denen, die auf soziale Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit setzen.Der PDS-Chef befürchtet, daß mit der Wahl eines neuen Parteivorsitzenden "eine neue Ära in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eingeleitet" wird.

Die PDS ist betroffen.Sagt sie.Und sie artikuliert ihre Betroffenheit in einer Weise, die den Eindruck erweckt, Lafontaine sei die Speerspitze der SED-Nachfolger in der SPD gewesen.Gewiß, der Mann von der Saar hat es der PDS mit seinem verteilungspolitischen Ansatz relativ leicht gemacht, Zustimmung zu signalisieren.Und Lafontaine hat mit seinem machtpolitischen Kalkül der SED-Nachfolgepartei zielgerichtet den Weg an die Macht geebnet.Mit Lafontaine ist ein Bündnispartner der PDS von Bord gegangen.Und so langt auch PDS-Ehrenvorsitzender Hans Modrow hoch hinauf in die Regale der Würdigungs-Terminologie: Lafontaine stehe für soziale Gerechtigkeit und für Toleranz - wobei letzteres meint, daß der Saarländer den Wählerwillen im Hinblick auf die PDS toleriert habe.Die Europawahl-Spitzenkandidatin Sylvia-Yvonne Kaufmann gar ist "persönlich sehr betroffen", weil Lafontaine "die Seele der SPD verkörpert".

Lothar Bisky will angesichts solcher linken Seelenwanderungen nicht darüber spekulieren, ob die Verschiebung des Gleichgewichtes in der SPD die Chancen für ein rot-rotes Bündnis in Thüringen nach der Wahl im Spätsommer schmälert.Immerhin hofft er auf den Instinkt Schröders: Der sei ein Pragmatiker und wolle die Macht.Und: "Flexibilität hat der Bundeskanzler ja schon unter Beweis gestellt." Verunsicherung allerdings schwingt auch in Biskys Stimme mit.

Dicht neben der Betroffenheit macht sich in der SED-Nachfolgepartei aber auch schon kämpferischer Triumph breit.Denn jetzt, so gutachtet Bisky, wurde "linke und alternative Politik vorerst aus dem rot-grünen Regierungsprojekt herausgedrängt".Die deutsche Sozialdemokratie begebe sich nun endgültig auf den Weg in die Mitte, wo die Linke keinen Einfluß mehr hat.Fazit: "Links gibt es als maßgebliche und handlungsfähige parlamentarische Kraft nur noch die PDS." Mit Nachdruck sagt er es in die Mikrofone, fettgedruckt steht es in der Pressemitteilung.

Doch was an der PDS-Basis die Alt- und Jung-Linken zu neuen revolutionären Begeisterungsstürmen führen mag, löst bei politikerfahrenen Pragmatikern wie Bisky gebremste Hoffnungen aus.Denn er weiß, daß dicht hinter dem schmalen revolutionären Acker das weite Feld der Bedeutungslosigkeit liegt.Das sagt er so nicht.Aber immerhin räumt er ein: Veränderung ist nur mit den Sozialdemokraten möglich.

Es scheint folglich auf der Hand zu liegen, wer sich - um der Macht und der Fortexistenz der eigenen Partei willen - zukünftig stärker wird verbiegen müssen.Und deshalb wirkt die Drohung fast ein wenig lächerlich: Wenn jetzt eine ganz andere SPD herauskommt, dann wird sich auch die PDS ganz anders geben.Gerhard Schröder wird so etwas nicht gerade die Gänsehaut unter seinen Kiton-Anzug treiben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false