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Politik: Gemeinsam schwächer

SPD und CDU feiern sich als Wahlsieger. Doch viel Herz haben die Bremer für das Bündnis nicht – sie halten es für unvermeidlich

Landauf, landab werden Henning Scherf und seine große Koalition seit der Bremer Bürgerschaftswahl als große Wahlsieger gefeiert. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings: Das Bündnis hat an Strahlkraft verloren und schwerere Zeiten vor sich als in den acht Jahren seit seiner Gründung. Zudem sind Abgänge zu verkraften: Mit Wirtschaftssenator Josef Hattig und Innensenator Kuno Böse haben zwei der drei CDU-Ressortchefs ihren Rückzug angekündigt.

Die Koalitionspartner zusammen haben 7,5 Prozentpunkte eingebüßt. Vordergründig trifft dieser Verlust nur die CDU. Aber sie schnitt vermutlich nur deshalb so schlecht ab, weil ein Teil ihrer Anhänger einen „Bluttransfer“ zur SPD geleistet hat, wie CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau es nennt. Etliche Christdemokraten wollten damit den populären SPD-Bürgermeister Henning Scherf unterstützen und verhindern, dass er bei einem schlechten Wahlergebnis zurücktritt und dann vielleicht Rot-Grün kommt. Selbst Scherf räumt ein: „Wir haben der CDU Stimmen geklaut.“ Es waren zwar eher Leihgaben als Diebesgut, aber ohne sie hätte wohl auch die SPD schlechter ausgesehen.

Bedenklich stimmen könnte die Koalitionäre auch, dass die Wahlbeteiligung diesmal nur noch bei knapp über 60 Prozent lag, in Bremerhaven sogar bei nur 54 Prozent. Viele Bürger fanden die beiden großen Parteien offenbar zum Verwechseln ähnlich und sahen keine Chance, die bereits fest anvisierte dritte Auflage der Koalition noch zu verhindern. „Es gab nichts zu wählen außer zwei netten Männern“, sagen sogar Sozialdemokraten. Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap versucht, es positiv zu sehen: „Wir haben einen neuen Wählertypus, der mit Henning Scherf vor allem die große Koalition stützen wollte.“ Für den auch aus Sicht von Meinungsforschern überraschenden Sieg der Bremer SPD sorgten dann vor allem Wechselwähler.

Einige Unzufriedene gingen allerdings doch zur Wahl und machten ihr Kreuzchen lieber bei den Halbrechten bis Rechtsextremisten – vor allem in der Arbeitslosenhochburg Bremerhaven. Die erstmals angetretene Schill-Partei scheiterte dort – entgegen ersten Hochrechnungen – nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde, und die rechtsextremistische Deutsche Volksunion (DVU) konnte sich in der Hafenstadt sogar von 6 auf 7,1 Prozent steigern, so dass sie wieder in der Bürgerschaft vertreten ist. In Bremerhaven, so nahm auch Scherf zur Kenntnis, gebe es „eine ganze Menge Leute, die wütend sind und gegen den Strich wählen“.

Der Zwei-Städte-Staat aus Bremen und Bremerhaven hat indes wenig Chancen, sich aus seiner Schuldenfalle zu befreien und vor allem das darniederliegende Bremerhaven hochzupäppeln. Am ehesten geht das, wenn die Großen zusammenstehen, meint Scherf. Deshalb möchte er möglichst schon am Donnerstag mit den Koalitionsverhandlungen beginnen, also gleich nach dem SPD-Landesparteitag von Mittwochabend, auf dem er mit großer Wahrscheinlichkeit den gewünschten Verhandlungsauftrag bekommt.

Die Gespräche dürften diesmal schwerer werden als vor vier Jahren. Denn die SPD kann seit Sonntagabend wie ein Kraftprotz auftreten, während die CDU reichlich abgemagert ist. „Die rote Handschrift muss die dominierende sein“, findet SPD-Landeschef Detlev Albers. Sein Bürgermeister hält allerdings wenig von Muskelspielen: „Wir dürfen nicht immer nur an unser eigenes Renommee denken“, mahnt er seine Genossen im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Den koalitionären Gesamtverlust von 7,5 Prozentpunkten tut er als unwichtig ab: „Wenn man über 80 Prozent der Mandate hat, dann ist das doch völlig irrelevant.“

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