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Politik: Gen-Mais: Vertrauenskrise auf dem Acker

Die Grillsaison hat begonnen, und der Rinderwahn (BSE) scheint weit weg zu sein. Doch kaum haben sich die Verkaufszahlen für Rindfleisch leicht erholt, steuert Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) auf ein neues Vertrauensproblem zu.

Die Grillsaison hat begonnen, und der Rinderwahn (BSE) scheint weit weg zu sein. Doch kaum haben sich die Verkaufszahlen für Rindfleisch leicht erholt, steuert Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) auf ein neues Vertrauensproblem zu. Am kommenden Donnerstag soll der Bundessortenausschuss tagen und erstmals einen gentechnisch veränderten Mais unbegrenzt zulassen. Falls die Sitzung nicht doch noch verschoben wird, wie es am Montag aus informierten Kreisen zu hören war. Denn laut "Handelsblatt" versucht Künast nach monatelangem Schweigen, jetzt doch noch den Gen-Mais mit dem Handelsnamen "Artuis" zumindest vorläufig zu stoppen.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Artuis wird von der KWS Saat AG vertrieben. Das Pflanzenzucht-Unternehmen hat die Lizenz für die herbizidresistent Maissorte von der Aventis AG erworben. Der Futtermais ist gegen das Aventis-Unkrautvernichtungsmittel Liberty unempfindlich gemacht. Liberty gehört zu den so genannten Totalherbiziden. Wird das Mittel auf dem Feld ausgebracht, sterben alle Pflanzen bis auf diejenigen, die gegen die Chemikalie resistent sind. Das umstrittene Getreide wird als Futtermais angebaut, und zwar als so genannter Silomais. Das heißt: Nicht nur die Körner werden zu Silage vergoren, sondern die gesamten Pflanzen samt Grün. Genau deshalb hält der Gentechnik-Experte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Christoph Then, die Pflanze nicht für zulassungsfähig. Zwar waren Saat und Körner des Gen-Maises 1998 von der Europäischen Union zugelassen worden. Seither gilt aber auf EU-Ebene ein Zulassungsmoratorium, weil sich neben Deutschland vor allem Österreich, Frankreich und Großbritannien gegen die Zulassung weiterer genmanipulierter Pflanzenarten wehrten.

Trotzdem hält Then es für möglich, den Gen-Mais doch noch zu stoppen. Rechtlich, räumt er ein, sei die Lage schwierig. Aber was eindeutig gegen Artuis spreche seien die mangelhaften Tests, weshalb die Pflanze in Großbritannien keine Zulassung bekommen habe. Es habe lediglich einen Fütterungstest mit den Körnern an Hühnern gegeben. Dabei sei eine erhöhte Sterblichkeit des Geflügels festgestellt worden. Fütterungsversuche mit Rindern habe es aber nicht gegeben. Insbesondere habe es keine Versuche gegeben, bei denen die Wirkung der gesamten Pflanze überprüft worden sei. "Dieser Mais genügt nicht den wissenschaftlichen Standards", kritisiert Then.

Der Gentechnik-Kritiker sieht aber auch noch politischen Handlungsspielraum. Schließlich habe Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Januar das angekündigte Bündnis für "Grüne Gentechnik" mit der Industrie vorerst abgeblasen. Auch wenn der Bundessortenausschuss den Gen-Mais tatsächlich zulassen sollte, gebe es noch Zugriffsmöglichkeiten. Obwohl das Bundessortenamt dem Landwirtschaftsministerium untersteht, kann Künast dem Bundessortenausschuss keine Weisung erteilen. Er entscheidet unabhängig. Deshalb wäre es der einfachste Weg, wenn Bundeskanzler Schröder seine gentechnik-freundliche Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) davon überzeugte, die Zulassung durch eine Weisung an das ihr unterstehende Robert-Koch-Institut zu stoppen. Diesen Weg war Schmidts Vorgängerin Andrea Fischer (Grüne) bereits in einem ähnlichen Fall gegangen. Doch selbst, wenn Schmidt dazu nicht bereit wäre, sieht Then für Renate Künast noch Spielraum, "den sie allerdings bisher nicht genutzt hat".

Laut "Handelsblatt" prüfen Künasts Juristen nun, ob der Gen-Mais im Hinblick auf den "vorbeugenden Verbraucherschutz" noch gestoppt werden kann. Für diese Saison spielt die Pflanze jedoch ohnehin keine Rolle mehr. Die schon seit zwei Monaten andauernde Debatte um ihre Zulassung fiel genau in die Pflanzzeit.

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