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Politik: Gendarmen auf den Barrikaden

Laut Gesetz dürfen sie als Angehörige der Streitkräfte weder demonstrieren noch öffentlich Kritik äußern. Seit Tagen aber sind tausende Gendarmen in Frankreich auf den Straßen und machen ihrem Ärger Luft, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes.

Laut Gesetz dürfen sie als Angehörige der Streitkräfte weder demonstrieren noch öffentlich Kritik äußern. Seit Tagen aber sind tausende Gendarmen in Frankreich auf den Straßen und machen ihrem Ärger Luft, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes.

Um das Demonstrationsverbot zu umgehen, bedienen sich die Ordnungshüter in Uniform Tag für Tag eines findigen Tricks: Mit Blaulicht und Sirenen fahren sie mit ihren Dienstwagen beim Amtsarzt vor. Dort lassen sich die kerngesunden Männer krank schreiben. Grund für das kollektive Leiden des militärischen Polizeikorps sind miserable Arbeitsbedingungen und miese Bezahlung, das durchschnittliche Bruttogehalt liegt bei umgerechnet 3200 Mark.

Wie ein Flächenbrand breiten sich die illegalen Protestaktionen aus, und ob ein für heute anberaumtes Schlichtungsgespräch mit Verteidigungsminister Alain Richard Erfolg hat, ist höchst ungewiss. Die rund 100 000 Gendarmen, die vor allem in der französischen Provinz für Ordnung sorgen, fordern 20 Urlaubstage mehr, ein 13. Monatsgehalt, eine bessere Ausrüstung und 10 000 zusätzliche Stellen, um wenigstens einen Teil ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 70 Stunden abbauen zu können.

Tatsächlich ist kaum ein Berufsstand in Frankreich derart schlecht gestellt wie die Gendarmen, obwohl sie es sind, die einer bis auf das Mittelalter zurückreichenden Tradition zufolge als Bollwerk des Staates gelten und für dessen Schutz zu sorgen haben. Klapprige Dienstfahrzeuge, vorsintflutlich ausgestattete Diensträume ohne Computer, veraltete Funkgeräte, keine schusssicheren Westen - die Liste der Mängel ist lang. Nicht zuletzt aufgrund der um 20 Prozent gestiegenen Kriminalitätsrate und zunehmenden Gewalt fühlen sich die militärisch organisierten Polizisten unzureichend ausgestattet, wie auch ihre Kollegen von der dem Innenministerium unterstellten Nationalpolizei. Alleine in diesem Jahr wurden bereits fünf Polizisten erschossen.

Fünf Monate vor den Wahlen ist die Regierung Jospin nun in der Klemme, auch, weil sie erst vor wenigen Wochen dem Druck der Polizisten nachgab, die mit ähnlichen Protestaktionen eine bessere Bezahlung erreichten. "Warum die und wir nicht?", fragen die Gendarmen: "Wir lassen uns nicht länger wie Idioten behandeln."

Sabine Heimgärtner

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