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Nach genderneutralen Toiletten in Behörden, kommt jetzt die gendergerechte Verwaltungssprache, warum nicht?

© Shannon Stapleton/Reuters

Gender-Debatte: Geschlechter, gerechter, Hannover

Niedersachsens Landeshauptstadt empfiehlt ihrer Verwaltung gendergerechte Sprache. Muss man sich darüber wirklich aufregen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Hannover und Avantgarde, das sind zwei Begriffe, die sich nur schwerlich sinnvoll in einem Satz unterbringen lassen. Gemeinhin gilt die Stadt an der Leine als provinziell, hässlich und langweilig.

Jetzt hat es die Stadt trotzdem geschafft, glaubt man der „Bild“-Zeitung, eine „Riesen-Debatte um gendergerechte Sprache“ auszulösen. Aber worum geht es eigentlich? Die Stadtverwaltung in Niedersachsens Landeshauptstadt hat eine „Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ erstellt. So sollen zum Beispiel aus Lehrern in Zukunft „Lehrende“ werden, aus Wählern „Wählende“. Statt Rednerpult soll man in Zukunft „Redepult“ sagen und der*die Teilnehmer*in wird in Zukunft bei Veranstaltungen der Stadt Hannover auf der „Teilnahmeliste“ stehen, nicht mehr auf der Teilnehmerliste. Wobei die Stadt dann nicht mehr als der Veranstalter auftritt, sondern als die Veranstalterin, weil es ja nicht der Stadt heißt.

Hannovers Vorgehen ist nur konsequent

Nun kann man sich jetzt wahnsinnig darüber aufregen, den Untergang der abendländischen Kultur heraufbeschwören, die Schönheit der deutschen Sprache in Gefahr sehen oder die staatlich verordnete Nivellierung der Geschlechter geißeln, aber man kann auch einfach tief durchatmen. Klar, gibt es wichtigere Themen auf der politischen Tagesordnung, aber es handelt sich ja nur um eine „Empfehlung“ für die Mitarbeiter der Stadt. Niemand wird bestraft, wenn er sich nicht daranhält. Es ist ein Appell, „überall da, wo es möglich ist, geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden“, sagt die Stadtsprecherin.

Was spricht dagegen? Dadurch wird niemandem etwas weggenommen. Und man sollte auch nicht vergessen, dass es seit diesem Jahr aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland im Personenregister ein drittes Geschlecht gibt. Da ist es doch nur konsequent, wenn sich der Staat wie in Hannover darum bemüht, dass sich alle Bürger angesprochen fühlen, wenn er mit ihnen kommuniziert. Eine Gesellschaft, die zunehmend per Emojis miteinander kommuniziert, wird sich wohl auch an Gendersterne und ungewohnte, anfangs etwas ungelenk wirkende Formulierungen gewöhnen. Und last but not least: Verwaltungssprache stand noch nie im Verdacht, ein großes Lesevergnügen zu sein.

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