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Angela Merkel (CDU) im Bundestag.

© dpa

Generaldebatte im Bundestag: Trump und andere Gespenster

Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA war das bestimmende Thema der Generaldebatte im Bundestag. Was entgegnet die deutsche Politik?

Von Robert Birnbaum

Der Hauptdarsteller liegt wahrscheinlich noch im Bett. Morgens um neun erhebt sich Angela Merkel von ihrem blauen Sessel im Reichstag, so wie höflichkeitshalber alle, wenn der Bundestagspräsident den Plenarsaal betritt. Im Prinzip ist das heute ihr Tag. Die Debatte über den Kanzlerhaushalt bietet der Regierungschefin traditionell Gelegenheit zur Selbstdarstellung und der Opposition den Anlass, ihr mal generell die Meinung zu sagen. Außerdem ist die Kanzlerin ja jetzt amtlich wieder Kanzlerkandidatin, was der CDU-Teil ihrer Fraktion noch einmal heftig beklatscht und der CSU-Teil etwas weniger eifrig.

Aber der Star des Vormittags wird ein anderer. Einer, bei dem jetzt drüben in New York die Uhr auf drei zeigt. Beste Schlafenszeit für den leibhaftigen Donald Trump in seinem Hochhaus-Tower. Doch zur gleichen Zeit wabert am Mittwoch früh sein Gespenst durch den Bundestag.

Es ist ziemlich praktisch, dieses Gespenst. Weit überwiegend erscheint der künftige US-Präsident als Schreckensgestalt. Der Grüne Anton Hofreiter ruft schon zum Bündnis aller Demokraten gegen „Demagogen“, „Nationalisten“, „Rassisten“ und „Homophobe“ auf. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gibt noch mal zu Protokoll, Trumps Wahl habe die westliche Welt „erschüttert“, und seine Art Wahlkampf zu machen drohe die Demokratie zu „vergiften“.

„Populismus und politische Extreme nehmen in westlichen Demokratien zu“, klagt auch Merkel und mahnt für den nächsten Wahlkampf vorsorglich eine Streitkultur „im Geiste des Respekts“ an. Ansonsten klingt ihre Rede nach dem ersten Übungsentwurf für das Wahlkampfjahr. Vieles sei erreicht worden, den Deutschen gehe es so gut wie nie zuvor, was man den Menschen aber „auch mal sagen“ müsse. Vieles bleibe zu tun, vor allem, um die noch weit unterschätzten Folgen der Digitalisierung zu bewältigen, aber „Schritt für Schritt“ und immer gemeinsam mit anderen: „Natürlich kann Deutschland das alleine nicht lösen.“

Superwoman - gar nicht so leicht

Der Hinweis kommt mehrfach. Merkel mag die Zuschreibung als letzte Stütze des liberalen Westens nicht. Superwoman ist eine schöne Rolle im Film, wo das Trickstudio leicht die Rettung der Welt ins Werk setzt. In der Realität klappt das nicht so leicht. Da muss man sich mit störrischen Partnern und mit Leuten rumschlagen, die man am liebsten zu Partnern nicht hätte. Aber auch mit dem Türken Recep Tayyip Erdogan, bekräftigt die Kanzlerin, werde sie weiterhin sprechen.

Später, zurück auf der Regierungsbank, steckt sie erst lange mit dem Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Köpfe zusammen und noch später in einer der hinteren Abgeordneten-Reihen mit der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Stabilität und Sicherheit in Personen dargestellt, sozusagen. Steinmeier guckt auch schon leicht bundespräsidial.

Das „Weiter so“, das die Opposition im und vor allem außerhalb des Parlaments ihr vorwirft, verkehrt Merkel jedenfalls trotzig zum Markenzeichen. Die AfD ist ja auch nicht im Saal und trotzdem anwesend. „Offenheit wird uns mehr Sicherheit bringen als Abschottung!“ ruft Merkel diesem Gespenst ebenso entgegen wie dem Poltergeist der Einigelung auf der anderen Seite des Atlantik.

Wagenknecht lobt Trump

Nur die Linke Sarah Wagenknecht verblüfft das Haus mit einem Lob für den künftigen US-Präsidenten: Der habe ökonomisch mehr drauf als die Bundesregierung, weil er den Amerikanern ein groß angelegtes Infrastrukturprogramm versprochen habe. Die Deutung, dass der Selfmade-Milliardär von den wirtschaftlich Abgehängten zum Erfolg getragen worden sei, passt der Fraktionschefin auch sonst gut ins Konzept. „Die US-Bürger haben das Weiter-So abgewählt“, ruft Wagenknecht, und auch hierzulande sähen immer mehr Bürger Grund für eine Absage an eine Politik im Dienste von Konzernen und „Superreichen“, eine Politik, die sich für „das Leben der arbeitenden Mitte und der Ärmeren“ nicht mehr interessiere.

„In einem konzerngesteuerten Land gibt es keine Demokratie“, liest Wagenknecht aus einem Schreiben eines „ums Überleben kämpfenden Mittelständlers“ an die Linksfraktion vor. Auf der Unionsseite murren sie. Der Aufstieg von Rechtsparteien sei „eine Art politische Notwehr der unteren Schichten“, zitiert die Linke den französischen Soziologen Didier Eribon. Bei der Union murren sie laut.

SPD-Mann Oppermann wirft Wagenknecht später vor, dass sie immer mehr daherrede wie die AfD: „Populisten aller Länder, vereinigt euch!“ Doch hinter dem Spott ist auch bei ihm Sorge spürbar. So wie Hofreiter seine Grünen ungewohnt selbstkritisch vor Überheblichkeit warnt, warnt der Rote die eigenen Truppen vor dem „moralischen Zeigefinger“. So wie Hofreiter an die eigenen Truppen appelliert, nach den Gründen für die Erfolge eines Trump in den „Alltagserfahrungen“ seiner Wähler zu suchen, statt nur darüber zu klagen, dass die Kritik an der Globalisierung plötzlich von rechts komme, so gibt Oppermann als Zielrichtung aus, sich um die Alltagssorgen der Menschen zu kümmern.

Da werfen die Gespenster sozusagen sichtbar Schatten.

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