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Schlechtes Bild. Nach den Wahlniederlagen im März feierten die Linken-Chefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst mit Sekt. Jetzt werfen ihnen Parteifreunde Ignoranz vor.

© dpa

Genosse Notstand: Linken-Basis lehnt sich gegen Parteispitze auf

Immer lauter werden die Rufe von Vertretern aller Parteiflügel, die die gegenwärtige Lage der Linken als äußerst ernst ansehen – doch die Basis bekommt zunächst nur eine Strategiedebatte.

Von Matthias Meisner

Berlin - Die Genossen aus Sachsen wollen sich nicht mehr an die von oben verordnete Direktive halten – und stellen offen die umstrittene Spitze der Linkspartei zur Disposition. „Ich halte Teile unserer Parteiführung für irreparabel beschädigt“, sagte Michael Leutert, Vorsitzender der Landesgruppe Sachsen in der Linksfraktion, dem Tagesspiegel. Auf namentliche Attacken gegen die Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch verzichtet er vorerst. Doch seine Parteifreunde werden ihn vermutlich auch so verstehen. Schon im Dezember war Leutert beteiligt an einer Meuterei gegen Parteichef Ernst. Er und sein Umfeld – das war eine Anspielung auch auf Amtsvorgänger Oskar Lafontaine – hätten „rote Haltelinien überschritten, was Demokratie und Diskussionskultur betrifft“, betonte Leutert damals. Die von Ko-Chefin Lötzsch losgetretene Debatte über „Wege zum Kommunismus“ sollte erst ein paar Tage später folgen.

Unmittelbar vor Leuterts Attacke hatte bereits der sächsische Landesvorsitzende Rico Gebhardt davor gewarnt, die Probleme der Partei, die nach dem Wahldebakel Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz offen zutage getreten sind, mit einem Comeback des früheren Vorsitzenden Lafontaine zu lösen. „Einen Weg zurück in die Vergangenheit werde ich für Sachsen nicht mitgehen können“, sagte Gebhardt der in Chemnitz erscheinenden „Freien Presse“. Stattdessen wirbt er für einen Neubeginn mit dem Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow und Ex-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Beide stünden für einen Kurs der Öffnung und der Offenheit. „Mit Menschen wie ihnen könnten wir auch bürgerliche Kreise erreichen, die ansonsten um die Linkspartei einen Bogen machen.“

Doch selbst wenn sich jene durchsetzen sollten, die Rücktritte der Parteiführung noch vermeiden wollten: Immer lauter werden die Rufe von Vertretern aller Parteiflügel, die die gegenwärtige Lage der Linken als äußerst ernst ansehen. Immer häufiger werden intern sogar Vergleiche zur Situation nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 gezogen. Die PDS war damals an der Fünfprozenthürde gescheitert. Gabi Zimmer konnte sich als Vorsitzende nicht halten, der langjährige Chef Lothar Bisky musste noch einmal ran und blieb schließlich bis 2010 – zuletzt an der Seite Lafontaines – im Amt.

Aber selbst eine Strategiedebatte statt eines Führungswechsels muss die Basis offenbar erzwingen. Ende vergangener Woche schrieben mehr als 50 Kreisvorsitzende einen geharnischten Brief an die Führung, die eben beschlossen hatte, eine mit ihnen geplante Konferenz aus Kostengründen ins kommende Jahr zu vertagen. Die Kreisverbände seien oft nur noch „Ausführungsorgan“ von vielfach noch nicht einmal koordinierten Planungen der Landesverbände, des Bundesvorstandes und der Bundestagsfraktion, kritisierte die Basis. Am Wochenende meldeten sich dann mehrere Landesvorsitzende und weitere Funktionäre aus Ost und West zu Wort – und sprachen offen über die Sorge, dass auch eine Partei mit „noch so klaren Positionierungen“ schnell „unter die Räder kommen kann“, wenn sie in den Augen der Bürger „für reale Politik“ nicht gebraucht werde. „Neue Ideen als Angriffe auf Markenkerne zu denunzieren ist unpolitisch und führt zur Friedhofsruhe.“

Die Führung versichert, sie habe verstanden: Die Kreisvorsitzendenkonferenz soll am 26. Juni stattfinden, zuvor ist am 2. Mai ein Krisentreffen der Landesvorsitzenden mit dem geschäftsführenden Parteivorstand geplant. Überlegt wird auch, noch im Frühjahr Treffen mit den Kreisvorsitzenden auf Landesebene einzuberufen. „Da passiert jetzt wirklich viel“, heißt es aus der Spitze. Die Basis aber bleibt skeptisch – viele trauen ihren Vorsitzenden auf Abruf nicht mehr zu, den Neuaufbruch organisieren zu können.

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