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Politik: Genossen, hört die Signale!

Kanzler und Parteispitze gehen auf die Reformkritiker zu. Es gibt Spielraum, heißt es. Das findet auch die Linke

Von Hans Monath

DIE REFORMDEBATTE IN DEUTSCHLAND

Von Markus Feldenkirchen

und Hans Monath

Gerhard Schröder hat am Mittwoch nicht mit seinem Rücktritt gedroht. Den ganzen Tag lang nicht. Stattdessen machte der Kanzler auf Zuversicht. „Ich bin, was den 17.10. angeht, sehr, sehr optimistisch“, sagte er am Rande der Geburtstagsfeier seines Parteifreundes Klaus Wowereit. Da selbst Schröder die Zukunft nicht vorhersagen kann, bleibt seine Prognose, dass bei dem heiklen Bundestags-Votum Mitte des Monats alles glatt laufen wird, nicht mehr als ein Wunsch. Denn bei der Abstimmung müssen SPD und Grüne anders als bei der Gesundheitsreform vergangene Woche eine eigene Mehrheit aufbringen. Potenzielle Kandidaten, die dem Kanzler die Gefolgschaft verweigern und so die Regierung stürzen könnten, gibt es freilich genug. Doch während sich einzelne Kritiker aus der Kanzlerpartei schon öffentlich festlegen, scheinen die unzufriedenen Grünen-Parlamentarier kompromissbereiter.

Die SPD-Abgeordneten wurden von Fraktionschef Müntefering aufgefordert, ihre Änderungswünsche zu den geplanten Hartz-Gesetzen Nummer III und IV bis zum Wochenende bei ihm persönlich einzureichen. Die Kritiker der geplanten Arbeitsmarktreformen wollen dieser formalen Bitte auch nachkommen. Dem Vernehmen nach versucht der Abgeordnete Ottmar Schreiner dieser Tage, die Kritik zu bündeln, um Müntefering rechtzeitig eine gemeinsame Forderungsliste aller Bedenkenträger servieren zu können. Und Schröder ist offenbar gewillt, den Kritikern entgegenzukommen: Da es dem Kanzler um die großen Linien der Reform gehe, bleibe genügend Spielraum für Änderungen im Detail, hieß es aus Regierungskreisen.

SPD-Vizefraktionschef Michael Müller schätzt das ähnlich ein: „Ich sehe große Einigungschancen“, sagte er dem Tagesspiegel. Müller, der zugleich für die Parlamentarische Linke der Fraktion spricht, sieht Signale beider Seiten für einen Kompromiss. Er selber verteidigte die Richtigkeit der Agenda 2010, auch wenn er vieles darin „nicht jubelnderweise“ vertreten könne. Die Gegenfrage, die er sich stelle und die sich jeder potenzielle Abweichler auch stellen müsse, laute: „Was ist denn, wenn man nichts tut?“

Bei den Nachbessserungsforderungen ziehen Rote und Grüne weitgehend an einem Strang: Die gegenseitige Unterhaltspflicht von Kindern und Eltern beim Arbeitslosengeld II ist schon vom Tisch, verhandelt werden Möglichkeiten, ein Absinken der Stundenlöhne durch Minijobs auszuschließen, Einfluss auf die Definition von Erwerbsfähigkeit zu nehmen, und bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Inhaber von Minijobs. Für die Einbindung der Kommunen in die Arbeit der geplanten Jobcenter macht sich vor allem der kleine Partner stark.

In den Reihen der Grünen gilt neben Jutta Dümpe-Krüger, Winfried Hermann und Werner Schulz auch Irmingard Schewe-Gerigk als Wackelkandidatin, obwohl sie zur Fraktionsführung gehört. Sie verlangt höhere Freibeträge bei der Anrechnung von Partnereinkommen. 400 000 Menschen, die Mehrzahl Frauen, würden nach dem bisherigen Vorschlag den Anspruch auf Arbeitslosengeld II verlieren. „Das ist ein ziemlicher Hammer“, sagte die Politikerin dem Tagesspiegel: „Ich erwarte, dass da noch etwas erreicht wird.“ Am 17. Oktober werde sie sich „das Paket als Ganzes ansehen“ und entscheiden.

Die Grünen-Experten Thea Dückert und Fritz Kuhn, die über die strittigen Punkte verhandeln, sehen aber „eine positive Bewegung“ (Kuhn). „Wir werden Verbesserungen erzielen, dann wird die Fraktion hinter Hartz III und IV stehen“, sagt Kuhn voraus. Angesichts lautstarker Wortmeldungen einzelner Kritiker ärgern sich manche Grüne mittlerweile über wohlfeile Profilierungsversuche. Kuhn jedenfalls legt Wert auf die Feststellung: „Die Verbesserungen, an denen wir arbeiten, sind immer ein Anliegen unserer ganzen Fraktion gewesen.“

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