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Proteste

© dpa

Georgien: Der gefallene Held

Seit Tagen fordern Tausende den Rücktritt des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili. Besonders die Opposition stellt sich gegen den Staatschef. Der spricht von Erpressung.

Der Radioreporter kämpfte hörbar mit einem Lachkrampf bei dieser Meldung: Maskierte Sonderkommandos der Polizei hatten in der Nacht zu Samstag im georgischen Tiflis einen Lieferwagen gestoppt und ausgeraubt. Er sollte die Nachtwache der Opposition nach ihrem Meeting vom Freitag mit belegten Broten versorgen.

Der Zwischenfall zeigt, wie verhärtet die Fronten im Konflikt zwischen Opposition und Staatsmacht inzwischen sind. Am Freitag hatten fast 100.000 Menschen gegen die von Staatschef Michail Saakaschwili geplante Verschiebung der Parlamentswahlen auf Herbst 2008 protestiert. Außerdem forderten sie, die staatstreuen Beamten der Wahlkommission durch Vertreter der im Parlament sitzenden Parteien zu ersetzen und politische Gefangene freizulassen.

Opposition fordert den sofortigen Rücktritt Saakaschwilis
 
Ein anschließendes Treffen der Oppositionsführer mit Parlamentschefin Nino Burdschanadse brachte keine Ergebnisse. Über Ultimaten, so die Juniorpartnerin von Saakaschwilis regierender "Vereinigter Nationalen Bewegung“, werde nicht verhandelt. Seit Samstag fordert die Opposition daher auch offiziell den sofortigen Rücktritt von Saakaschwili. Auf dem Platz vor dem Parlament harrten über Nacht 250 Demonstranten aus und auch gestern kamen wieder Tausende zusammen. Das Meeting werde erst beendet, wenn alle Forderungen der Opposition erfüllt sind, sagte Georgi Chaindrawa, einst Staatsminister. Saakaschwili aber, der sich gestern Abend in einer Fernsehansprache erstmals zu den Protesten äußerte, will hart bleiben: Vorgezogene Neuwahlen werde es nicht geben. Er werde sich nicht der "Erpressung“ der Opposition ergeben.

Der Aufruhr findet am selben Ort wie vor vier Jahren die "Revolution der Rosen“ statt und fällt auch zeitlich mit deren Beginn zusammen. Gefälschte Parlamentswahlen waren im November 2003 der Anfang vom Ende des Staatschefs Eduard Schewardnadse, dem das Volk Elend, Korruption und Machtmissbrauch vorwarf. Saakaschwili, durch die Revolution an die Macht gespült und im Januar 2004 mit satter Mehrheit zum Präsidenten gewählt, sieht sich jetzt schon mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert und er muss sich von Schewardnadse zum Dialog mit der Opposition auffordern lassen.

Die Menschen kreiden ihrem einstigen Hoffnungsträger auch das zerrüttete Verhältnis zu Russland und die daraus entstandenen Milliardenverluste für Georgiens Wirtschaft an. Sogar Saakaschwilis Paten in Washington gehen zu ihrem vermeintlichen Musterschüler in Sachen Demokratie offenbar auf Distanz. Kein Politiker dort äußerte sich zu den Entwicklungen in Georgien. Saakaschwili lässt momentan Hunderte Anhänger mit Bussen nach Tiflis karren, wo seine Sympathisanten eine Gegendemonstration planen.

Streitkräfte unterstützen geforderten Machtwechsel

Russische Medien meldeten, auch Teile der Streitkräfte würden einen Machtwechsel unterstützen. Armee und Polizei haben Saakaschwili nicht verziehen, dass dieser Irakli Okruaschwili kalt- stellte: Der Mann, den er erst zum Generalstaatsanwalt, dann zum Innen- und später zum Verteidigungsminister machte und der hart gegenüber den Separatisten in Abchasien und Südossetien auftrat, galt als junger und chancenreicher Herausforderer für die Präsidentenwahlen Ende 2008. Nach seiner Entlassung ist Okruaschwili zu einem der unversöhnlichsten Gegner von Saakaschwili geworden. Auch in den Reihen seiner eigenen Partei wächst der Druck auf Saakaschwili. (mit AFP)

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