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Das Europarlament will einer Richtlinie zustimmen, die Unternehmen gegen den Verrat von Geschäftsgeheimnissen schützen soll.

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Geplante EU-Richtlinie: Sorge um Whistleblower

Das EU-Parlament will einer Richtlinie zustimmen, die Unternehmen gegen die Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen schützen soll. Kritiker befürchten, dass dadurch Whistleblower künftig Probleme bekommen könnten.

Für Julia Reda ist die Sache klar. „Wir werden gegen die Richtlinie stimmen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Für die Politikerin der Piratenpartei verheißt jenes europäische Gesetzgebungsprojekt, das am kommenden Donnerstag im Straßburger Plenum verabschiedet werden soll, nichts Gutes. Es geht um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Sprich: Zur Abstimmung steht eine EU-Richtlinie, mit deren Hilfe sich Unternehmen europaweit dagegen wehren können, dass interne Informationen unbefugt nach außen dringen. Nach aller Voraussicht wird die Richtlinie am Donnerstag in Straßburg mit Hilfe der konservativen EVP-Fraktion und der Sozialdemokraten verabschiedet werden.

Grüne wollen gegen Richtlinie stimmen

Dass die Grünen dabei nicht mitmachen wollen, begründet Reda unter anderem mit dem Interesse der Öffentlichkeit an Enthüllungen wie im Fall der Panama Papers. Die Europaabgeordnete befürchtet, dass Veröffentlichungen wie im Fall des zurückgetretenen isländischen Regierungschefs David Gunnlaugsson, dessen Name in den Akten der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca aufgetaucht war, künftig ein Ding der Unmöglichkeit wären. „In dieser Situation würde der Whistleblower Gefahr laufen, verklagt zu werden“, so Reda.

Mit der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen soll die EU-weite Gesetzgebung gegen Betriebsspionage, die einem europäischen Flickenteppich gleicht, harmonisiert werden. Kundenlisten, geplante Innovationen oder Marktstrategien sollen im Interesse der Unternehmen, die häufig in mehreren Staaten im europäischen Binnenmarkt aktiv sind, dort überall gleichmäßig gegen Diebstahl und Veröffentlichung geschützt werden. Kritiker wie die Nichtregierungsorganisation „Corporate Europe Observatory“ monieren, dass die Brüsseler Gesetzgeber weit über das Ziel hinausgeschossen seien: Statt Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, so lautet der Vorwurf, hätten die Unternehmen eine Lizenz zur Geheimniskrämerei erhalten – zum Nachteil von Verbrauchern, Angestellten, Journalisten und Forschern.

Journalistenverbände in Deutschland bewerten das Vorhaben unterschiedlich

Die Abstimmung am Donnerstag ist der Schlusspunkt eines mehrjährigen Gesetzgebungsprozesses, der mit einem Vorschlag der EU-Kommission im Jahr 2013 begann. Inzwischen haben sich das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten untereinander auf einen Text geeinigt. Zuvor hatte das EU-Parlament einen ersten Entwurf vorgelegt, der „sehr enttäuschend“ gewesen sei, wie sich Renate Schroeder, die Direktorin des europäischen Journalistenverbandes „European Federation of Journalists“ erinnert. Inzwischen ist ihr Verband nach den Worten von Schroeder aber unterm Strich zufrieden mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf, weil er „klare Ausnahmen für Journalisten“ vorsehe. Allerdings habe sich der Verband noch einen besseren Schutz für Whistleblower gewünscht. Auch beim Deutschen Journalisten-Verband kann man mit dem Entwurf gut leben. Anders sieht das die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju): „Das Inkrafttreten der Richtlinie würde de facto zu einer Einschränkung von Presse- und Informationsfreiheit auf europäischer Ebene führen“, erklärt dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Medienschaffenden und Whistleblowern würde es erschwert, „brisante Informationen aus Unternehmen offenzulegen“, so Haß.

Whistleblower müssen im "allgemeinen öffentlichen Interesse" handeln

Umstritten ist vor allem die Frage, in wie weit Whistleblower und Journalisten künftig nach der neuen EU-Richtlinie vor möglichen Klagen von Unternehmen geschützt sind, wenn sie unsaubere Geschäftspraktiken aufdecken. Nach dem vorliegenden Richtlinienentwurf müssen Journalisten bei der Berichterstattung über unlautere Praktiken keine Repressalien befürchten, wenn sie dabei das Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen. Dabei wird in dem Text ausdrücklich auf die EU-Grundrechtecharta verwiesen, in der unter anderem die Informationsfreiheit niedergelegt ist. Whistleblower, die häufig als Quellen für Journalisten dienen, müssen laut dem Richtlinien-Entwurf nicht mit Sanktionen rechnen, wenn sie Fehlverhalten in Unternehmen aus einem „allgemeinen öffentlichen Interesse“ heraus aufdecken. „Der Schutz von Whistleblowern ist gewährleistet“, ist die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Evelyn Regner überzeugt.

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