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Mit Tempo 30 über den Brenner - so lautet ein Gedankenspiel für künftige Kontrollen zwischen Italien und Österreich.

© dpa

Geplante Kontrollen am Brenner: Nadelöhr in der "Euregio"

Der Brenner zwischen Österreich und Italien ist ein emotionsbeladener und geschichtsträchtiger Grenzübergang. Dass es gerade hier wegen der Flüchtlingskrise zu Kontrollen kommen soll, stößt auf Widerstand.

In der Flüchtlingskrise erwarten die Behörden in Österreich und Italien, dass sich die Route der Migranten demnächst zunehmend verlagern könnte - und zwar weg von der Balkanroute Richtung Italien. Deshalb werden Grenzkontrollen am Brenner erwogen. Damit sich der Verkehr hier nicht staut, suchen Wien und Rom nach Alternativen.

Bis 1919 gehörte Südtirol zu Österreich. Mit dem Friedensvertrag von St. Germain fiel es Italien zu, womit das Land an Etsch und Eisack zu einem innereuropäischen Konfliktherd wurde, der erst 1972 mit dem Südtiroler Autonomiepaket eine friedliche Lösung fand. Mit dem Schengen-Abkommen und dem Abbau aller Kontrollen zwischen Nord-, Ost- und Südtirol verbesserte sich die Lage ab 1996 zunehmend. Besonders stolz ist man mittlerweile auf die „Euregio“, die von Innsbruck über Bozen bis nach Trient reicht. Dass damit ab April wegen der geplanten Kontrollen wieder Schluss sein soll, trifft auf viel Unverständnis.

Allein im vergangenen Jahr wurden am Brenner fast 50.000 Flüchtlinge beim Grenzübertritt registriert. Die Zahl der Illegalen, die unkontrolliert einreisten, wird sogar noch höher geschätzt.

An sich sind fast alle vom Grenz-Management-System betroffenen Stellen von Wien bis Rom unglücklich über die geplanten Kontrollen, zeigen aber doch auch Verständnis, weil das Konzept der „offenen Türen“ auf Dauer nicht mehr haltbar sei. Geht es nach den aktuellen Planungen, dann soll es zu einer flüssigen Kontrolle des Straßenverkehrs mit gerade einmal 30 Stundenkilometern Geschwindigkeitsbeschränkung kommen.

Der Brenner ist an sich nicht nur ein emotionsbeladener und geschichtsträchtiger Grenzübergang, sondern auch ein Engpass, der nicht wirklich optimal geeignet ist, entsprechenden Raum für die Weiterleitung der Flüchtlinge zu bieten. Einige Südtiroler Bürgermeister schlagen deshalb vor, den Kontrollpunkt etwas nördlicher ins österreichische Wipptal zu verlegen.

Ein weiterer Vorschlag ist die Verlagerung des „Grenz-Managements“ in den Süden – und zwar ans Ende der Euregio zwischen Rovereta und Verona, dort wo die Provinzen Trentino und Venetien aneinandergrenzen. Im Wiener Außenamt will man zwar dazu offiziell noch nicht Stellung nehmen, lässt aber keinen Zweifel daran, dass es sich um „eine sehr sympathische Lösung“ handeln würde. Probleme könnte es geben, Italien für diesen Vorschlag zu gewinnen. Dennoch sei eine gemeinsame Kontrollstelle mit einem Hot-Spot überlegenswert.

Vereinbarung mit Westbalkanstaaten schafft neue Realitäten

Trotz aller Kritik - sowohl aus Brüssel wie auch aus Athen – versucht die österreichische Regierung zu demonstrieren, dass man nicht gewillt ist, den Status quo der EU hinzunehmen. Daher setze man auf die Überzeugungskraft des Faktischen.

In nur einem Tag gelang es, eine Kooperation zwischen den betroffenen Staaten entlang der Balkanroute (Österreich, Slowenien, Kroatien und Bulgarien sowie den sechs Westbalkan-Ländern Albanien, Bosnien, Kosovo, Serbien, Mazedonien und Montenegro) zustande zu bringen, um die anhaltende Flüchtlingsbewegung Richtung Mitteleuropa einzuschränken, beziehungsweise in geregelte Bahnen zu lenken. Ziel ist „eine Kettenreaktion der Vernunft“, die durch eine Allianz der unmittelbar betroffenen Staaten herbeigeführt werden soll. Die Weiterreise auf der Balkanroute soll künftig nur den „wirklich Schutzbedürftigen“ ermöglicht werden, so die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Vereinbart wurden auch gemeinsame Regeln zur Registrierung der Flüchtlinge. Außenminister Sebastian Kurz artikulierte die Sorge vieler: „Wir sind alle schlicht und ergreifend überfordert“.

Österreich macht Druck in Richtung einer gesamteuropäischen Lösung. Und nimmt es hin, auch für Alleingänge gerügt zu werde. So auch bei der Konferenz der EU-Innenminister am Donnerstag, bei der Österreich den Vorwürfen des deutschen Innenministers Thomas de Maizière mit dem Argument begegnete, dass es unzulässig sei, das Durchwinken der Flüchtlinge durch Griechenland zu tolerieren, die österreichische Kontingentierung in Abstimmung mit den südwestlichen Nachbarn jedoch zu verurteilen.

Erschienen bei EurActiv.
Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Herbert Vytiska

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