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Geräuschlose Zeitenwende: Gesundheitsfonds startet ohne großes Getöse

Nach viel Tumult rund um den Gesundheitsfonds kommt die Zeitenwende geräuschlos. Kein Feuerwerk, kein symbolischer roter Knopf - dabei sammelt und verteilt der Fonds im Startjahr 2009 die enorme Summe von mehr als 167 Milliarden Euro, und das auf eine in Deutschland völlig neue Weise.

Noch am letzten Tag des alten Jahres haben Mitarbeiter des Bundesversicherungsamts in Bonn Details vorbereitet. In den einfachen, durch einen Flur mit grauem Boden verbundenen Büros der knapp zwei Dutzend Fonds-Zuständigen herrschte seit Monaten intensives Arbeiten. Am Neujahrstag dann gehen die offiziellen Zuweisungsbescheide an die mehr als 200 gesetzlichen Krankenkassen raus, das erste Geld aus dem Fonds wird angewiesen. Nach Kritik am Fonds bis zuletzt sagt Amtspräsident Josef Hecken: "Sie sehen mich heute in relativer Ruhe beim Anhören des Neujahrskonzertes."

Jenen, die nie an ein Funktionieren des "Monsters" Gesundheitsfonds glaubten, hält der oberste Fondsverwalter Hecken entgegen: "Wir haben einen geräuschlosen und effizienten Start bewerkstelligen können." Die meisten der 70 Millionen Versicherten spüren zunächst nur Veränderungen beim Beitrag. Durch den Einheitssatz von 15,5 Prozent müssen Mitglieder teurer Kassen zunächst weniger, jene bei heute günstigen Kassen mehr zahlen. Bei neun von zehn Kassen-Mitgliedern kommt etwas drauf. "Die elf Milliarden Euro mehr werden aber nicht vom Fonds konsumiert, sondern kommen der Versorgung der Kranken zugute", sagt Hecken.

Steigen die Ausgaben für Arznei, Arztbesuche und Klinikaufenthalte noch stärker als ohnehin vorgesehen, könnten Kassen verstärkt unter Druck geraten - längerfristig könnte es nur noch 50 bis 80 Kassen geben, meint Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD). Sorgen vor Kassenpleiten in Serie weist Hecken freilich zurück. Zwar könnte es im Startjahr des Fonds 30 bis 40 Fusionen gesetzlicher Krankenkassen geben. Bereits zum Jahresbeginn fusioniert etwa die Techniker Krankenkasse (TK) mit der IKK-Direkt. Für Hecken sind die Zusammenschlüsse aber nur ein ohnehin laufender Prozess zur Bildung optimierter wirtschaftlicher Einheiten.

Mögliche Deckungslücke des Fonds durch die Rezession

Ungeachtet des Funktionieren des Fonds heizen einige Tage vor dem neuen Konjunkturpaket Vorschläge für mehr Geld und Spekulationen über Rezessionsfolgen die gesundheitspolitische Debatte neu an. Neue Steuermilliarden für den Fonds? Und wenn, dann zur Entlastung vor allem der Arbeitnehmer, die einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent zahlen, wie Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) es will - oder zugunsten auch der Arbeitgeber? Entschieden ist noch nichts.

Sicher ist aber, dass die eine mögliche Deckungslücke des Fonds durch die Rezession 2009 die Kassen noch nicht unmittelbar trifft. 440 Millionen Euro könnten nach offizieller Schätzung fehlen. "Wenn es Ausfälle gibt, dann trägt das Risiko der Fonds", sagt Hecken. Notfalls springt der Finanzminister ein. Der Fonds müsste das Geld 2010 zurückzahlen. Hierfür stünden dann voraussichtlich ausreichend Mittel in der Liquiditätsreserve zur Verfügung, die der Fonds bildet, so Hecken.

Zusatzbeiträge schon 2009 fällig?

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erwartet aber auch steigende Ausgaben durch die Rezession: "Wenn es mehr Arbeitslosigkeit gibt, werden mehr Menschen krank." Dies könnte mit dazu führen, dass die befürchteten Zusatzbeiträge allein zulasten der Versicherten bei mehreren Kassen schon 2009 fällig werden. Maximal ein Prozent des Monats-Bruttos dürfen sie betragen.

Neben Einheitsbeitrag und Zusatzprämien ist der neue Finanzausgleich der Hauptmotor für Veränderungen. Aus dem Fonds bekommen Kassen mehr Geld für jene Versicherten, die eine von 80 Krankheiten haben. So mache der Fonds viele in Deutschland kränker als sie sind, fürchten Kritiker. Hecken hingegen meint: "Das nützt den tatsächlich kranken Menschen." So würden Kassen etwa ihre Chronikerprogramme nun rasch intensivieren und die Behandlung von weit verbreiteten Krankheiten besser koordinieren.

Ob das Getöse um den Gesundheitsfonds im Wahljahr abebbt, ist noch offen. Der Präsident der "Freien Ärzteschaft", Martin Grauduszus, etwa nutzte die Neujahrsruhe, um von einem "schwarzen Donnerstag für die Gesundheitsversorgung in Deutschland" zu orakeln. Amtspräsident Hecken hingegen gibt sich gelassen. "Sehr, sehr schnell wird Beruhigung und Routine einsetzen."

Basil Wegener[dpa]

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