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Gerda Hasselfeldt im Interview: „Die SPD hat drei Gäule im Stall, aber kein Gewinnerpferd“

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt über die politische Konkurrenz, die Probleme mit der FDP – und die Koalitionsvorhaben, die in den nächsten Monaten „aufs Gleis“ müssen.

Von Robert Birnbaum

Wann verlässt Bayern die Bundesrepublik – noch vor der Landtagswahl 2013 oder doch erst danach?
Ich sehe überhaupt keinen Anlass für eine derartige Sorge! Bayern und die CSU sind ein zuverlässiger, konstanter Partner in Deutschland, ein Teil dieses Landes.

Na ja, Horst Seehofer ist die in Berlin so leid, dass er schon mit Autarkie in der Stromversorgung liebäugelt …

Bayern ist ein starkes Land, deshalb tut es gut, wenn von Bayern Impulse und Ideen in die Bundespolitik eingespeist werden. Auch bei der Energiewende schaden neue Gedanken und mehr Schwung nicht. Ich finde das positiv und erfolgversprechend.

Aber gerade die Energiewende krankt daran, dass jedes Bundesland alleine wurstelt und nichts zusammenpasst!

Eigene Ideen zu haben schließt Zusammenarbeit nicht aus. Aber es liegt auf der Hand, dass wir jetzt rasch Entscheidungen brauchen, etwa wenn es um den Ersatz für die wegfallende Kernenergie geht. Allein dieser Anstoß aus Bayern war meines Erachtens ein sehr wichtiger.

Erwarten Sie vom Koalitionsgipfel am Montag denn konkrete Fortschritte in Fragen der Energiewende?

Ich verspreche mir von der Begegnung der Parteichefs, dass dort anstehende Herausforderungen auf den Tisch gelegt werden. Dazu wird sicher auch die Frage gehören, wie es mit der Solarförderung weitergeht, die ja im Vermittlungsausschuss im Bundesrat festhängt. Gleiches gilt für die energetische Gebäudesanierung, die die SPD seit fast einem Jahr verantwortungslos im Vermittlungsausschuss blockiert. Auch beim Netzausbau gibt es Absprachebedarf.

Stichwort Vermittlungsverfahren: Was kann die Koalition den Ländern anbieten, damit sie ihren Widerstand aufgeben?

Diese Fragen gehören in die zuständigen Gremien. Ich halte aber grundsätzlich nichts von „Kuhhandel“. Lösungen müssen in der Sache richtig sein.

Auch in der Koalition sind Fragen aufgelaufen, die seit langem auf Klärung warten. Bei der Vorratsdatenspeicherung verliert jetzt sogar schon die EU die Geduld.

In der Tat, die fehlende Regelung der Vorratsdatenspeicherung ist ein großes Problem, das wir schon in der gesamten Legislaturperiode mitschleppen. Wir brauchen dringend eine Lösung. Aber diese Lösung darf kein fauler Kompromiss sein.

Das heißt, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger muss vor Hans- Peter Friedrich einknicken?

Es handelt sich nicht um einen Konflikt zwischen Koalitionspartnern oder zwischen zwei Ministern, sondern um einen Konflikt der Bundesjustizministerin mit dem EU-Recht. Deutschland muss die EU-Richtlinie umsetzen – da gibt es gar keinen Spielraum. Ich appelliere daher erneut an die Justizministerin, ihre Blockadepolitik aufzugeben.

Und wenn Deutschland demnächst Strafe zahlen muss – wird das dann Frau Leutheusser vom Haushalt abgezogen?

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Ministerin nicht mutwillig Steuergelder verschleudert und vorher einen Entwurf vorlegt, der der Richtlinie entspricht.

Aber ist das nicht verständlich, wenn eine FDP-Ministerin in Zeiten, in denen Piraten in Parlamente einziehen, den Datenschutz zum höchsten Gut erklärt?

Genauso wichtig ist aber auch die Sicherheit der Bürger sowie die Rechtstreue gegenüber Europa.

Die Streitpunkte in der Koalition

Ein Punkt muss eigentlich bei der Koalitionsrunde keine Rolle mehr spielen: Der Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld liegt vor. Ist damit dieses Kapitel beendet?

Der Entwurf sieht das vor, was in der Koalition beschlossen wurde: Das Betreuungsgeld wird als Barauszahlung den Eltern gewährt, die keinen Platz in einer öffentlichen Betreuungseinrichtung in Anspruch nehmen. Das war das Anliegen der CSU. Ich gehe fest davon aus, dass der Entwurf zügig beraten und vor der Sommerpause beschlossen wird.

Die CSU, zumal ihr Vorsitzender, hat in den letzten Wochen quasi täglich diesen Entwurf eingefordert. Hat Horst Seehofer den Zusagen der Kanzlerin und CDU-Chefin nicht getraut?

Es hat eine überflüssige Diskussion gegeben, in der Abgeordnete der Koalition das einmal Beschlossene wieder infrage gestellt haben. Daher war es ganz im Sinne einer gerechten Familienpolitik, dass die CSU daran erinnert hat, hier Wort zu halten.

Aber dass während eines wichtigen Landtagswahlkampfs wie in NRW die Gesetzgebung Pause macht, kann doch einem Bayern so fremd auch nicht sein?

Ich bin jedenfalls froh, dass Bundesministerin Schröder den Gesetzentwurf nun endlich vorgelegt hat und wir an konkreten Texten arbeiten können und keine virtuelle Debatte mehr führen müssen.

Die Kritiker haben Einlenken um den Preis signalisiert, dass die Rentenansprüche von Müttern erhöht werden. Trägt die CSU diesen Preis mit?

Die bessere Absicherung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung ist auch der CSU seit langem ein Anliegen. Ich begrüße es sehr, dass wir jetzt eine intensive Diskussion darüber führen, die noch nicht ganz abgeschlossen ist. Es gibt aber kein Junktim mit dem Betreuungsgeld.

Das sieht die FDP anders. Philipp Rösler sagt, er sei nicht bereit, weitere soziale Wohltaten zu finanzieren, nur damit in der CDU wieder Frieden einkehrt.

Ich sehe da keinen Zusammenhang. Das Betreuungsgeld ist in der Koalition beschlossen und da war auch Herr Rösler dabei. Die Rentenfrage beschäftigt uns seit Jahren. Wir müssen jetzt prüfen, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln wir dort vorankommen können.

Ist das Betreuungsgeld nicht längst in Gefahr, zum politischen Rohrkrepierer zu werden wie einst der Hotelsteuerrabatt? Die FDP ist dagegen, Teile der CDU sind dagegen, die Wirtschaft will es nicht, selbst die EU findet es falsch …

Manche dieser Gegner haben sich das Betreuungsgeld immer noch nicht genau angeschaut. Zum Beispiel ignorieren viele Kritiker, dass das Betreuungsgeld auch an Eltern gezahlt wird, die in ihrem Beruf bleiben. Der polemische Spruch von der „Fernhalteprämie“ geht schon insoweit an der Wirklichkeit vorbei. Und die Wirtschaft möchte ich daran erinnern, dass es nicht allein Aufgabe des Staates ist, für Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Hier stehen auch die Unternehmen in der Pflicht.

Die Union hat eine ganze Reihe weiterer Anliegen, die sie in dieser Wahlperiode gerne noch umsetzen würde: eine Lohnuntergrenze etwa oder eine Pkw-Maut. Wie bei Vorratsdaten und Mütter-Renten sagt die FDP aber auch hier immer nur Nein. Sind diese Fronten überhaupt noch aufzulösen?

Dazu dienen ja solche Gespräche wie das am Montag. Die drei Parteivorsitzenden werden das Arbeitsprogramm der nächsten Monate besprechen und ausloten, wo man sich treffen kann. Wenn Einigungen nicht möglich sind, muss das Thema eben ruhen. Dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt, ist aber nicht ungewöhnlich. Das liegt in der Natur der Sache.

Uns scheint es eher so zu sein, dass die Union die eine oder andere Vorstellung hat und die FDP eher keine mehr.

Wenn es etwas gibt, was die FDP umsetzen will, dann wird man sich auch darüber unterhalten.

Aber viel Zeit zum Unterhalten bleibt nicht. In Niedersachsen wird im Januar gewählt, dann im Bayern und im Bund. Sie haben doch höchstens noch ein halbes Jahr für Gesetzesarbeit!

Wir befinden uns zweifellos in einer wichtigen Phase dieser Legislaturperiode. Was 2012 noch auf den Weg gebracht werden soll, muss jetzt auf das Gleis gesetzt werden.

Und die FDP bleibt trotz aller Probleme ihr Wunsch-Koalitionspartner?

Die FDP hat sich in den beiden letzten Landtagswahlen stabilisiert. Das wirkt sich auch auf die Situation in der Koalition in Berlin aus. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die erfolgreiche Arbeit fortsetzen können. Denn angesichts der Ergebnisse in der Wirtschafts- und Sozialpolitik muss jeder zugeben, dass diese Koalition sehr erfolgreich ist. Deutschland ist Hort der Stabilität und des Wachstums in Europa. Das wird leicht vergessen, weil oft nur auf die strittigen Themen mit einem Brennglas geschaut wird.

All diese strittigen Themen – von Vorratsdaten bis Mindestlohn – wären beispielsweise mit einem Partner SPD binnen kürzester Zeit erledigt und müssten nicht resigniert beiseitegelegt werden.

Sie werden sehen, dass es für all diese Themen eine gute Lösung geben wird. Und was die SPD betrifft: Wenn die Wahl näher rückt, wird sie merken, dass sie zwar drei Gäule im Stall hat, aber kein Gewinnerpferd darunter ist.

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