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Politik: Gereizte Grüße aus Washington

Bush fordert von den Türken die Freigabe des Luftraums – doch der designierte Premier Erdogan will lieber warten

DER IRAK – ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN

Manch ein angehender Regierungschef würde platzen vor Stolz, wenn er noch vor seinem Amtsantritt an ein und demselben Tag zuerst eine persönliche Botschaft vom US-Präsidenten und dann auch noch einen Anruf vom US-Vizepräsidenten erhielte. Doch der designierte türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist alles andere als glücklich über das Interesse aus Washington. Denn George Bush und Dick Cheney verlangen von ihm ultimativ die Freigabe des türkischen Luftraums, um mit Angriffen auf Bagdad beginnen zu können. Die Atmosphäre zwischen den Verbündeten ist gespannt, der Ton gereizt. Doch als Ergebnis des amerikanischen Drucks könnte Erdogan die US-Anforderungen schon in den nächsten Tagen erneut ins Parlament einbringen.

In einem Brief an Erdogan betonte Bush, die USA könnten nicht mehr länger warten. Am Telefon wurde Cheney noch deutlicher: „Seit Dezember warten wir schon auf euch“, beschwerte sich der Vize-Präsident. „Jetzt lassen wir uns nicht mehr hinhalten.“ Erdogan verwies auf die nicht abgeschlossene Regierungsbildung in Ankara und auf den Widerstand im Parlament, das die US-Truppenstationierung schon einmal abgelehnt hat. Deshalb könne er nichts versprechen.

Erdogan und der scheidende Ministerpräsident Abdullah Gül setzten sich sofort mit Generalstabschef Hilmi Özkök zusammen, um eine gemeinsame Linie zu finden – angesichts der Skepsis der Armee gegenüber der islamisch angehauchten AK-Partei von Erdogan und Gül keine Selbstverständlichkeit. Das Trio beschloss, dass auch die Freigabe des Luftraums für US-Kampfflugzeuge oder Raketen vom Parlament genehmigt werden muss. Im Parlament will Erdogan die Freigabe des Luftraums aber nicht von der Stationierung der US-Bodentruppen trennen. Nur bei Verabschiedung eines Gesamtpakets hätte Ankara Anspruch auf die mit den USA ausgehandelten Wirtschaftshilfen.

Unter dem Druck der USA verdonnerte Erdogan das Parlament dazu, das ganze Wochenende lang zu tagen, und legte schon am Freitagnachmittag seine Kabinettsliste vor. Der neuen, auf 21 Minister verkleinerten Regierung, in der Gül Außenminister und Vize-Premier wird, gehört kein Minister mehr an, der eine amerikanische Truppenstationierung ablehnt. Nach Erdogans Regierungserklärung, der Debatte des Parlaments darüber und der Vertrauensabstimmung wird sich das Parlament in den nächsten Tagen erneut mit der Frage der US-Truppenstationierung befassen. Ob bei einer neuen Abstimmung eine Mehrheit für die USA herauskommt, ist keinesfalls sicher.

Ankara will also warten, während Washington genug vom Warten hat. Deshalb zogen die Amerikaner zehn ihrer rund zwanzig vor der türkischen Küste wartenden Kriegsschiffe ab und schickten sie Richtung Süden. Die Schiffe sind mit Lenkflugkörpern bewaffnet, die besonders in der ersten Kriegsphase gebraucht werden. Statt über die Türkei zu fliegen, könnten die Cruise Missiles nach der Verlegung ihre Ziele in Irak über Israel und Jordanien oder über Saudi-Arabien anfliegen. Und zwar unabhängig von Erdogans Terminkalender.

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