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Stefan Schostok (SPD), Oberbürgermeister von Hannover, hat sich mit der örtlichen Presse angelegt.

© Julian Stratenschulte/dpa

Gerichtsbeschluss zur Pressefreiheit: Ein Bürgermeister darf nicht einfach Journalisten verdächtigen

Hannovers OB Schostok hat, von einer Affäre belastet, einer Zeitung Straftaten vorgeworfen. Das ging zu weit, sagt das Verwaltungsgericht.

Es kommt häufiger vor, dass die Presse Vorwürfe gegen Regierende erhebt. Seltener ist der umgekehrte Fall: Die Regierenden werfen der Presse Fehlverhalten vor. Dies ist zwar nicht grundsätzlich verboten. Doch Amtsträger müssen dabei äußerst zurückhaltend sein. Insbesondere können sie sich nicht auf die Grundsätze zulässiger „Verdachtsberichterstattung“ zurückgreifen, wie sie für Vorwürfe gilt, die in privaten Medien erhoben werden. Dies hat jetzt das Verwaltungsgericht Hannover entschieden (Az.: 6 B 5193/18) und damit einem Unterlassungsantrag der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ) gegen die Stadt Hannover weitgehend stattgegeben.

Zwei Pressemitteilungen und ein Verdacht

Der Streit dreht sich um Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD). Gegen ihn sowie einen weiteren Rathaus-Mitarbeiter wird wegen Untreueverdachts ermittelt, da es für Schostoks früheren Büroleiter unzulässige Zulagen gegeben haben soll. Als die HAZ im Sommer vergangenen Jahres über die Ermittlungen berichtete, veröffentlichte die Stadt auf ihrer offiziellen Webseite dazu zwei Pressemitteilungen, in denen sie kritisch auf die HAZ-Publikationen Bezug nahm. Unter anderem hieß es:

„Zeitung steht in Verdacht, mit illegal beschafften Informationen die Unschuldsvermutung zu unterlaufen.“

„Ein Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) hat sich mutmaßlich illegal Zugang zu Akten aus dem Ermittlungsverfahren gegen Oberbürgermeister Schostok verschafft.“

„Oberbürgermeister Schostok dazu: ,Es besteht der Verdacht, dass unter dem Deckmantel der Pressefreiheit mit aus dem Zusammenhang gerissenen angeblichen Enthüllungen gezielt die Unschuldsvermutung unterlaufen werden soll‘.“

Derartige Äußerungen sind laut Verwaltungsgericht untersagt. Das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz erlaube der Stadt und namentlich dem gewählten Oberbürgermeister, die Einwohner der Landeshauptstadt über wichtige Angelegenheiten zu informieren. Er dürfe auch Vorwürfe zurückweisen und Tatsachen richtigstellen. Dies müsse jedoch in sachlicher Weise und zurückhaltend erfolgen.

Private dürfen "aggresiv" sein - der Staat nicht

Dass man als Stadt auch außerhalb förmlicher Ermittlungsverfahren über einen eigenen Verdacht berichten darf, sehen die Richter kritisch: Staatliche Stellen und staatliche Mandatsträger seien nicht in gleicher Weise frei wie private Medienunternehmen oder Presseorgane, die sich dabei auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen könnten. „Während der Private aggressiv oder unsachlich sein darf, ist ihnen dies verwehrt“. Eine „überbordende hoheitliche Pressearbeit“ berge zudem Gefahren für die Neutralität von Kommunikationsprozessen, zumal staatlichen Informationen in konfliktträchtigen Situationen eine besondere Glaubwürdigkeit zukomme - und damit auch ein „besonderes Beeinflussungspotenzial“.

Als sachlich und verhältnismäßig formuliertes Werturteil sieht das Gericht dagegen einen anderen Passus der Pressemitteilungen an:

„,Die neuerliche Skandalisierung überschreitet unserer Meinung nach die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung‘, so Oberbürgermeister Schostok weiter.“

Die Entscheidung ist in einem Eilverfahren ergangen. Die Stadt kann noch eine Beschwerde einlegen und den Fall dem Oberverwaltungsgericht vorlegen.

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