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Politik: Gern in der Opposition

Der Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann ist tot

Von Matthias Meisner

Berlin - Er war ein Idealist, sein Leben lang. Wolfgang Ullmann hat es den Herrschenden nie leicht gemacht. Nicht in der Bundesrepublik während seines Theologiestudiums Anfang der 50er-Jahre in Göttingen. Nicht in der DDR, wo er sich früh in der Opposition engagierte. Und auch nicht im vereinigten Deutschland, wo er seine Parteifreunde von den Grünen zuweilen nervend mahnte, ihre Ideale nicht aufzugeben. Jetzt ist Ullmann tot. Er starb am Freitagabend im Alter von 74 Jahren unerwartet während einer Urlaubsreise. Erst Anfang Juli war ihm die Berliner Stadtältestenwürde verliehen worden.

Schon in Göttingen hatte sich Ullmann für die eine Nation eingesetzt – und gegen Konrad Adenauers Westintegration opponiert. Er kämpfte in der Gesamtdeutschen Volkspartei, was ihn, wie er später sagte, zu einem „politisch denkenden Menschen“ gemacht habe. 1954 ging Ullmann nach Sachsen. Er stammte von dort, wurde zunächst Vikar, bald Pfarrer in einer kleinen Landgemeinde bei Freiberg. Früh in den 80er-Jahren engagierte er sich in den Oppositionsbewegungen, die sich unter dem Dach der evangelischen Kirche der DDR formierten. Später rechnete er zu den Mitbegründern von „Demokratie jetzt“. Es gab einen Platz für ihn am Zentralen Runden Tisch, in der Regierung von Hans Modrow wurde er Minister ohne Geschäftsbereich – eine „absurde Geschichte“, meinte er später. Rasch machte er Parteikarriere bei Bündnis 90/Die Grünen. Er saß für sie als Vizepräsident in der Volkskammer, von 1990 bis 1994 im Bundestag, dann bis 1999 im Straßburger Parlament. Vergeblich kämpfte er für eine neue deutsche Verfassung.

Mit dem Ausscheiden aus der aktiven Politik entfernte sich Ullmann mehr und mehr von den Grünen. Nur zuweilen tauchte er noch mit seiner großen braunen Aktentasche auf Parteikongressen auf. Und schimpfte: „Bündnis 90/Die Grünen haben ihren Kurs verloren. Sie lavieren.“ Irgendwann nach 1990 sei Ullmann stehen geblieben, lästerten die Vertrauten von Joschka Fischer.

Wolfgang Ullmann ließ sich nicht beirren. Von seiner Altbauwohnung in Berlin-Mitte aus wetterte er gegen den Kosovo-Krieg und darüber, dass das politische System der Bundesrepublik nicht besser sei als das der DDR. „Abgrenzungsrituale“ zur PDS hielt er für falsch. Die Grünen hörten nicht mehr auf seinen großväterlichen Rat – per Buschfunk gaben sie kund, Ullmann sei nur noch ein verbitterter, alter Mann.

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