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Politik: Gerücht mit List

Was Helmut Kohls Autobiografie über seinen Politikstil verrät

Von Robert Birnbaum

Wenn einer wie Max Streibl fahnenflüchtig geworden wäre – die Geschichte der Republik wäre ziemlich anders verlaufen. Dass der CSU-Mann, der später Franz Josef Strauß als bayerischer Ministerpräsident nachfolgen sollte, 1976 an den Eintritt in die CDU zumindest gedacht hat, gehört zu den überraschenden Details, über die Helmut Kohl in seiner jetzt auszugsweise in der „FAZ“ vorab gedruckten Autobiografie berichtet.

Die Szene spielt in den turbulenten Tagen, nachdem Strauß in Wildbad Kreuth die Trennung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag hatte beschließen lassen. Kohl setzte sich zur Wehr, indem er der bayerischen Schwester damit drohte, ihr im eigenen Lande Konkurrenz zu machen – eine Drohung, die Kohl anfangs listig als Gerücht lancierte: „Um sie (die CSU) nach dem Rausch des nächtlichen Trennungsbeschlusses zumindest etwas nachdenklicher zu stimmen, ließ ich verbreiten, ein politischer Emissär sei bereits auf dem Weg nach München. Im Auftrag des CDU-Vorsitzenden sei er auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie für einen neu zu gründenden CDU-Landesverband.“

Die Drohung, später dann offiziell von der CDU-Spitze übernommen, war bekanntlich erfolgreich; die CSU nahm, wenn Strauß auch tobte, aus Angst um ihre Pfründe als Partei der absoluten Mehrheiten den Plan vom Marsch auf den Rest der Republik zurück. Wozu auch Prominente aus der CSU beitrugen, die sich gegen den eigenen Vorsitzenden mit der großen Schwester CDU solidarisch erklärten. So weit ging das, wie Kohl schreibt, dass solche Leute ihm telefonisch ihren Übertritt im Fall der Fälle angekündigt hätten. Wer das war, verschweigt Kohl diskret; die fraglichen Personen müssten, anders als der 1998 verstorbene Streibl, mit scheelen Blicken im Nachhinein rechnen.

Ein anderer übrigens ist ebenfalls im Gefolge jener Kreuther Affäre zum Kohl-Mann geworden: Leo Kirch, der Medienunternehmer, habe ihn in jenen Tagen angerufen und gesagt, bisher habe er auf Seiten der CSU und Strauß’ gestanden. Aber ab jetzt stehe er bei der CDU, denn es gelte eine Spaltung zu verhindern. Über diese Freundschaft wüsste man gerne mehr. Aber der jetzt fertige erste Band Kohl endet mit dem Jahr 1982.

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