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Gescheiterte EU-Verfassung: Bundestag berät über Vertrag von Lissabon

Der Bundestag berät über den Vertrag von Lissabon, der die gescheiterte Verfassung als europäisches Regelwerk ablösen soll. Die Zustimmung der deutschen Parlamentarier ist groß. In Polen droht Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski unterdessen erneut mit Ablehnung.

Der Bundestag berät in erster Lesung über die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages und die geplanten Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat bei Angelegenheiten der Europäischen Union. Dafür ist auch eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Das im Dezember von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnete Dokument ersetzt die gescheiterte EU-Verfassung und soll die Europäische Union mit 27 Mitgliedern handlungsfähig halten.

Deutschland will den neuen Grundlagenvertrag für Europa bis Ende Mai ratifizieren und damit zu den Vorreitern unter den EU-Ländern gehören. Dafür gab es am Donnerstag im Bundestag eine breite parlamentarische Zustimmung. Bei der ersten Lesung des Ratifizierungsgesetzes betonte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), es sei gelungen, mit dem Reformvertrag die "wesentliche Substanz" der gescheiterten EU-Verfassung zu erhalten. Lediglich die Linksfraktion lehnte den Vertrag ab.

Vertrag ist ein wichtiger Schritt hin zu einer "Union der Bürger"

Der CDU-Außenexperte Andreas Schockenhoff sagte, mit dem Reformvertrag werde die EU "mehr Sichtbarkeit nach Innen und Außen" bekommen. So seien künftig ein ständiger EU-Ratspräsident und eine gemeinsamer Außenminister geplant. Und mit der deutlichen Ausweitung der sogenannten doppelten Mehrheiten bei EU-Entscheidungen würden Blockademöglichkeiten eingeschränkt. Der SPD-Abgeordnete Michael Roth fügte hinzu, mit dem Vertrag werde ein wichtiger Schritt hin zu einer "Union der Bürger" getan.

Für die FDP kritisierte der Abgeordnete Markus Löning, dass der freie Wettbewerb aus dem Zielekanon der EU gestrichen wurde. "Europa ist immer auch eine Union der freien Bürger gewesen", sagte er. Es sei bedauerlich, dass soziale Ziele nach vorn gerückt seien. Es dürfe nicht zu viel staatliches Handeln zugelassen werden. Da der Vertrag aber generell ein wichtiger Schritt sei, um Europa nach vorn zu bringen, werde die FDP zustimmen.

Eine klare Ablehnung kam von der Linken. Parteichef Lothar Bisky beklagte erneut eine aus Sicht der Linkspartei falsche Ausrichtung der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Vertrag von Lissabon sei hier "ein alter Brief im neuen Umschlag". Außerdem bemängelte Bisky eine Militarisierung der Außenpolitik. Positiv sei, dass die Mitbestimmungsrechte des EU-Parlaments gestärkt werden.

Der Grünen-Europaexperte Rainder Steenblock entgegnete, in keinem EU-Vertrag bisher seien die zentralen sozialen Ziele so integriert worden wie im jetzigen Reformvertrag. Auch werde die EU-Grundrechtecharta endlich rechtsverbindlich. Falsch sei ferner, dem Reformvertrag einen Beitrag zur Militarisierung zu unterstellen. Vielmehr werde die "Friedenspflicht" für die EU festgehalten und zivilen Lösungsmöglichkeiten von Konflikten der Vorrang gegeben. Aus diesen Gründen trügen die Grünen den Reformvertrag mit.

Polens Opposition droht mit Blockade

Bevor der EU-Vertrag in Kraft treten kann, muss er in allen 27 Mitgliedsländern ratifiziert werden. Bisher ist dies in Ungarn, Slowenien, Malta, Rumänien und Frankreich geschehen. In Polen droht der ehemalige Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, Chef der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Ratifizierung des Vertrages im Warschauer Parlament scheitern zu lassen. "Wenn entschieden wird, die Version der Ratifikation beizubehalten, die die Regierung vorgeschlagen hat, dann sehen wir uns gewzungen, dagegen zu stimmen oder uns zumindest zu enthalten",  sagte Kaczynski am Donnerstag vor Journalisten in Warschau. Für die Ratifikation des Vertrages im Parlament wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Es gibt insgesamt 460 Abgeordnete, mehr als ein Drittel gehören der PiS an.

Im Bundestag ist eine Beschlussfassung für den 25. April geplant. Die Länderkammer will auf der Bundesratssitzung am 23. Mai - dem Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes - die neue Grundordnung Europas ratifizieren. Wenn der Ratifizierungsprozess in Europa wie geplant bis Jahresende abgeschlossen ist, könnte die Reformen ab 1. Januar 2009 und damit rechtzeitig zur Europawahl im Juni kommenden Jahres greifen. (nim/ddp/AFP)

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