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Politik: Geschichte und Gegenwart im Fall Wertheim

Die Wertheim-Erbin Barbara Principe ist eine zierliche und stets freundlich wirkende ältere Dame. Nun trat sie gezielt einen Tag vor einer wichtigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts wieder in Berlin auf.

Berlin (03.03.2005, 15:11 Uhr) - Die 72-Jährige Lady aus New Jersey lächelt viel. Doch wenn sie über den Kampf der von den Nazis enteigneten jüdischen Kaufmannsfamilie um Entschädigung durch die KarstadtQuelle AG oder die Bundesregierung spricht, bekommt sie in Sekundenschnelle einen harten Zug um die schmalen Lippen. «Wir werden den Kampf niemals aufgeben, niemals, egal, wie lange es dauert, wir hören nicht auf, um unser Recht zu kämpfen», sagte sie am Donnerstag in Berlin. Als Sechsjährige war die Tochter von Günther Wertheim 1939 mit ihrer gesamten Familie aus Deutschland vertrieben worden.

An diesem Freitag geht es um Ansprüche auf den früheren Stammsitz der Wertheims an der Leipziger Straße. Dort befindet sich heute die Techno-Disco «Tresor», benannt nach dem Stahltresor des dort in den 30er Jahren stehenden größten Kaufhauses in Europa. Das Verwaltungsgericht selbst bezifferte am Donnerstag in einer Mitteilung die Streitsumme auf 20 Millionen Euro. Im mittlerweile gut 15 Jahre währenden Ringen um Rückgabe und Ausgleich von sieben Filetgrundstücken geht es um zusammen bis zu 500 Millionen Euro in der neuen Mitte der deutschen Hauptstadt.

Politisch, juristisch und geographisch ist alles so nah beieinander rund um den Potsdamer Platz. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fließen in der Pressekonferenz der Wertheim-Anwälte Gary M. Osen aus New York und Matthias Druba aus Berlin fast übergangslos ineinander. Hinter Barbara Principe, die in der Mitte sitzt, heißt es auf einem Foto des Wertheim-Stammhauses in großen Lettern: «Looking Ahead Without Forgetting The Past» (Nach vorne blicken, ohne die Vergangenheit zu vergessen).

Und Anwalt Osen lässt sich den Scherz nicht entgehen, die Weltpresse «sehr herzlich zu begrüßen auf Wertheim-Gelände». Das Luxushotel Ritz-Carlton und in ihm der Salon Tiergarten, in dem die Pressekonferenz stattfindet, gehört zum Beisheim-Center, das der Metro-Gründer Otto Beisheim errichtet hat. Den Grund hat er vom KarstadtQuelle-Konzern für 150 Millionen Euro erworben. Dieses Geld und noch viel mehr wollen die Profis der Jewish Claims Conference (JCC) als Repräsentanten der bis 1939 von den Nazis restlos enteigneten Wertheim-Familie zurück.

Der einstige Stammsitz, auf dem das Wertheim-Kaufhaus als das damals größte seiner Art in Europa stand, ist in der Leipziger Straße auch nur einen Steinwurf entfernt. Und zum Marie-Elisabeth-Lüders Haus des Deutschen Bundestages, ebenfalls komplett auf einstigem Wertheim-Gelände errichtet, führt ein kurzer Spaziergang am Holocaust-Mahnmal, Brandenburger Tor und Reichstag vorbei, auch dies ein höchst aktueller Streifzug durch die Geschichte Berlins und Deutschlands.

Im Grundstücks-, Häuser- und Hotel-Monopoly vor deutschen und amerikanischen Gerichten erscheinen die Fronten verhärtet. Im Namen von bis zu 50 überlebenden Wertheim-Erben warf Sprecherin Principe der KarstadtQuelle AG als Rechtsnachfolger von Hertie und Wertheim vor, bis heute widerrechtlich vom guten Namen ihrer Familie und deren Besitztümer zu profitieren. Auch ihr Anwalt Osen führt eine scharfe Klinge. «Bei Verfahren in den Vereinigten Staaten weist Karstadt die Rechtsnachfolge zurück, in Deutschland argumentieren sie genau damit. Doch schon meine Großmutter hat gesagt, Lügen haben kurze Beine, und diese Doppelstrategie von Karstadt wird nicht erfolgreich sein.»

(Von Hans-Rüdiger Bein, dpa) ()

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