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Hagen Schulze: Fragen an den deutschen Nationalstaat

Dem Berliner Historiker Hagen Schulze zum 65.

Es kann zum Problem werden, wenn ein Historiker die wissenschaftliche Bühne mit einem magistralen Werk betritt. Hagen Schulzes „Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung“, das der Anfangsdreißiger 1977 vorlegte, hatte dieses Format: Die Habilitationsschrift hat unserem Bild der Weimarer Republik einen wichtigen Eckstein gesetzt.

Aber Schulze ist dem Versprechen dieses Buches, das ihn sogleich in die erste Reihe der jüngeren Historiker beförderte, nichts schuldig geblieben. Er war bei den aufsehenerregenden Anstößen dabei, die der Verleger Wolf Jobst Siedler in den achtziger Jahren dem Bewusstsein der Deutschen von ihrer Geschichte gab. In der Reihe „Die Deutschen und ihre Nation“ schrieb er den „Weimar“-Band, in dem Geschichts-Appetizer „Mitten in Europa“ das Kapitel „Die Geburt der deutschen Nation“. Dem forschenden, fragenden und erklärenden Umgang mit dem Nationalstaat, also einem deutschen Trauma, galt seither der größte Teil seiner Arbeit, zunehmend in vergleichender europäischer Perspektive.

Der Versuch einer populären „Kleinen deutschen Geschichte“, geschrieben nach der Wiedervereinigung, sollte den Deutschen endlich erlauben – so Schulze – zu wissen, „was Deutschland ist, was es sein kann und was es sein soll“. Als eine praktische Übung zum Thema Nation und Identität mag man auch die drei Bände „Deutsche Erinnerungsorte“ verstehen, die er zusammen mit Etienne François herausgegeben hat.

Schulze, der seit einem guten Vierteljahrhundert an der Freien Universität Berlin lehrt und von 2000 an das Deutsche Historische Institut in London leitete, hat sein Fach durchaus nationalpädagogisch begriffen. Im Horizont der Gegenwart die Gründe und Abgründe der deutschen Geschichte zu verstehen, hat er stets als seine Aufgabe begriffen. Dass man dabei nichts vereinfachen darf, versteht sich bei ihm von selbst. Aber man begreift auch, dass man dabei um den Nationalstaat keinen Bogen machen kann und darf, erst recht nicht im Kontext Europas. Am heutigen Donnerstag wird Hagen Schulze 65 Jahre alt.

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