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Abgeordnete sitzen bei der 83. Sitzung im Bundestag.

© Britta Pedersen/dpa

Geschlechtergerechtigkeit: Wie kann man dem Frauenunterschuss im Bundestag entgegenwirken?

Der Gesetzgeber muss durch Quoten für gleiche Chancen der Frauen bei der Wahl sorgen. Darf aber nicht Ergebnisparität im Parlament erzwingen. Ein Gastbeitrag.

Obwohl gleich viele Frauen wie Männer zur Wahl gehen, liegt der Frauenanteil im Deutschen Bundestag nur bei 31 Prozent. In den Landtagen und Kommunalvertretungen sind noch weniger Frauen vertreten. Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, ob und wie der Gesetzgeber durch Quoten auf einen Anstieg des Frauenanteils hinwirken darf. Gestritten wird vor allem über die Frage, ob der Gesetzgeber „nur“ für Chancengleichheit der Frauen bei der Wahl oder auch für Ergebnisparität im Parlament sorgen darf.

Für den Bundestag hat die schleswig-holsteinische Justizministerin Sütterlin-Waack für die Direktwahl der Kandidaten vorgeschlagen, die Parteien gesetzlich zur Aufstellung geschlechtsgemischter Bewerber-Tandems in den Wahlkreisen zu verpflichten, aus denen der Bürger mit seiner Erststimme Mann oder Frau wählen kann. Zur gleichen Anzahl von Frauen und Männern im Bundestag kommt es nur, wenn der Bürger sie zu gleichen Teilen wählt.

Ein Alternativvorschlag geht dahin, den Parteien aufzugeben, geschlechtsgemischte Tandems aufzustellen, die nur en bloc zur Wahl stehen. Der Bürger wählt mit seiner Erststimme Mann und Frau aus demselben Tandem oder aus verschiedenen Tandems. Über die Erststimme ziehen dann Frauen und Männer in gleicher Zahl in den Bundestag – es wird also Ergebnisparität erreicht.

Eingriffe in das Wahlrecht bedürfen Rechtfertigung

Beide Quotenmodelle beschränken die (Chancen‑) Gleichheit der männlichen Bewerber (Artikel 38 Grundgesetz) sowie die Autonomie und Chancengleichheit der Parteien (Artikel 21 Grundgesetz). Die Wahl von en bloc-Tandems greift außerdem in die Wahlfreiheit des Bürgers ein (Artikel 38 Grundgesetz). Kann der Bürger dagegen aus den Tandems Mann oder Frau wählen, bleibt seine Wahlfreiheit unangetastet.

Nun sind zwar Eingriffe in das aktive und passive Wahlrecht der Bürger und die Parteienrechte nicht zwangsläufig unzulässig. Sie bedürfen aber der Rechtfertigung. Ein solcher Rechtfertigungsgrund steht in Artikel 3 Grundgesetz, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Dieser Gleichberechtigungsauftrag trägt dem Umstand Rechnung, dass Frauen trotz gleicher Rechte oft faktische Nachteile beim Erreichen beruflicher Positionen haben. Der Staat muss die Nachteile beseitigen, damit Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Lebenswirklichkeit stattfindet. Dabei zielt das Grundgesetz auf Chancengleichheit, nicht auf nachteilsunabhängige Ergebnisgleichheit.

Faktische Nachteile für Frauen bestehen beim Zugang zum Bundestag. Sie sind dort unterrepräsentiert, weil die Parteien sie seltener nominieren als Männer oder häufiger auf aussichtslose Plätze setzen. Der Grund hierfür sind Männerbündnisse, männlich geprägte Karrieremuster, ungünstige Sitzungsbedingungen sowie Vorbehalte gegenüber der Eignung von Frauen in den Parteien. Dass sich in den Parteien weniger Frauen finden als Männer, ist für den Befund ihrer Unterrepräsentation im Bundestag irrelevant. Denn beim Zutritt zum Parlament geht es um ein staatliches Organ, für das die Parteien Kandidaten aus dem gesamten Volk gewinnen können (Artikel 38 Grundgesetz).

Politisch vielleicht beklagenswert, verfassungsrechtlich hat das seinen Sinn

Diese Nachteile für Frauen beseitigt der Gesetzgeber, wenn er die Parteien zur Aufstellung von Bewerber-Tandems verpflichtet und den Bürger mit seiner Erststimme zwischen Mann und Frau wählen lässt. Das Alternativmodell, den Bürger zur Wahl von en bloc-Tandems (Mann und Frau) zu verpflichten, schießt über das Ziel des Gleichberechtigungsauftrags des Grundgesetzes hinaus. Es schafft nicht nur Chancengleichheit für Frauen, sondern Ergebnisparität im Parlament und ist deshalb unzulässig.

Entscheidet sich der Gesetzgeber für Bewerber-Tandems der Parteien, aus denen der Bürger Mann oder Frau wählen kann, wird Parität im Bundestag nur erreicht, wenn das Volk Frauen und Männer in gleicher Zahl wählt. Politisch mag man das beklagen, aber verfassungsrechtlich hat das seinen Sinn. Denn nach dem Grundgesetz gilt: Das letzte Wort bei der Wahl hat das Volk.

Frauke Brosius-Gersdorf

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