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Politik: Geschwätz und Hochverrat

9000 Priester wollen den Papst in der Missbrauchsdebatte unterstützen – auch gegen interne Kritik

Es soll eine Demonstration der Solidarität werden: An diesem Mittwoch werden in Rom rund 9000 Geistliche aus aller Welt zum Abschluss des internationalen Priesterjahres erwartet. Von dem dreitägigen Treffen, bei dem unter anderem der Kölner Kardinal Joachim Meisner und der Münchner Erzbischof Reinhard Marx erwartet werden, soll ein Signal für die katholische Kirche ausgehen – ein Zeichen der Solidarität der Priester mit Papst Benedikt XVI. angesichts der Vorwürfe eines zögerlichen Umgangs mit den zahlreichen Missbrauchsskandalen.

Allerdings kann sich der Papst keineswegs auf eine stumme Gefolgschaft verlassen. Das zeigte sich Anfang des vergangenen Monats, als massive Vorwürfe im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Priesteranwärtern den Vatikan selbst erschütterten. Zuvor hatte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn einen für die katholische Kirche beispiellosen Schlagabtausch ausgelöst, als er den langjährigen Chefpolitiker Johannes Pauls II., Angelo Sodano, unter ausdrücklicher Namensnennung angriff. Der frühere Kardinalstaatssekretär wird aus Österreich und den USA beschuldigt, die Vertuschung von Missbrauch gefördert zu haben. Schönborn sagte, es sei Sodano gewesen, der 1995 die schwer wiegenden Missbrauchsaffären des damaligen Wiener Kardinals Hans Hermann Groer nicht habe aufklären wollen. Damit habe sich Sodano nicht nur seinem, Schönborns, „energischem Drängen“ widersetzt, sondern sich auch dem damaligen Chef der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, verweigert.

Schon einige Wochen vor dem Eklat hatte Schönborn – seinerzeit designierter Nachfolger Groers in Wien – berichtet, die von ihm und Ratzinger geforderte Untersuchung sei „an der anderen, der diplomatischen Seite“ in der Kurie gescheitert. Den konkreten Namen lieferte Schönborn anschließend nach. Er war erbost darüber, was bei der Ostermesse auf dem Petersplatz passiert war.

Da hatte Sodano als ranghöchster Kardinal eine ungewöhnliche Solidaritätsadresse an Benedikt XVI. gerichtet, in der er die Missbrauchsvorwürfe gegen Teile des Klerus als „Geschwätz des Augenblicks“ abtat, von dem sich weder Kurie noch Kirche beeindrucken ließen. Weil Schönborn im Ausdruck „Geschwätz“ eine „massive Verletzung der Opfer“ sah, redete er Klartext – und beging mit der Nennung von Sodanos Namen einen für die Kirche unerhörten Affront.

Anschließend warf man Schönborn in Rom nicht viel weniger als Hochverrat vor: Mit seinem „dermaßen gewaltsamen Angriff über die Zeitungen“ bringe Schönborn „Papst und Kirche in Schwierigkeiten“, polterte der portugiesische Kurienkardinal José Saraiva Martins. „Öffentlich einen Menschen in Misskredit zu bringen, der die Einheit der Kardinäle verkörpert, ist nicht angebracht.“ Schönborn habe „der Kirche keinen guten Dienst erwiesen“, polterte der 78-Jährige, der als bisheriger Chef der Heiligsprechungskongregation eine starke Stellung in der Kurie hat.

Auch offiziell griff der Vatikan in Wien ein, dies aber in aller Stille: Österreichs katholische Nachrichtenagentur „kathpress“, die Schönborns Attacke auf Sodano verbreitet hatte, nahm die entsprechende Meldung von ihrer Website – „auf diskreten Rat aus dem Presseamt des Vatikans“, wie Eingeweihte in Rom wissen.

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