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Wir leben in einer Gesellschaft, in der heute zwei Millionen Kinder von Hartz IV leben. Die müssen für eine bessere Zukunft gerüstet werden.

© Christian Charisius/dpa

Gesellschaft: Es geht um das Soziale!

Die Zeiten ändern sich: Wer heute politisch erfolgreich sein will, muss sich um die sozialen Belange der Gesellschaft kümmern. Ein Kommentar.

The times they are a changin’, singt Bob Dylan – und das gilt jederzeit. Ein Beispiel: Als Bill Clinton Präsident der USA werden wollte, 1992, hatte er einen Berater, der den legendären Spruch prägte: „The economy, stupid“, die Wirtschaft, Dummkopf. Der Spruch hing als zweiter an der Wand des „War Room“ in Little Rock, Arkansas, in dem die Wahlkampfstrategie ersonnen und verfolgt wurde. Nicht nur in Amerika, auch in Deutschland gilt der Satz seither, wie ein Mantra, für jeden Wahlkämpfer, aber auch für jedes Regierungshandeln. Doch ändern sich die Zeiten, und Wahlkämpfer wie Regierende lernen gegenwärtig: The social, stupid, es ist das Soziale. Dummkopf kann sein, wer das nicht (ausreichend) beachtet.

Viele glauben, ihre Rente wird nicht reichen

Warum das Soziale? Weil sich, zum Beispiel, immer mehr Menschen Sorgen um ihre Alterssicherung machen. 45 Prozent der Beschäftigten erwarten, dass ihre Rente nicht ausreichen wird, 36 Prozent gehen davon aus, dass sie „nur gerade so“ reichen wird. Das sind die höchsten je gemessenen Werte. Dabei identifizieren sich 84 Prozent der Arbeitnehmer in hohem Maße mit ihrer Arbeit, was wiederum an den Satz des großen Sozialphilosophen Oswald von Nell-Breuning von der Selbstverwirklichung des Menschen durch Arbeit erinnert. Hat sich das durch alle Zeiten hindurch auch nicht geändert – die Bedingungen dagegen schon. Die unterliegen gerade einem rasanten Wandel.

Die Rückkehr zu einer Politik der neunziger Jahre ist da nicht hilfreich, nicht in Deutschland. Wieder ein Beispiel: Die Hartz-IV-Debatte wird deshalb immer wieder geführt, noch dazu heftig, weil sie auch das Beängstigende an sozialreformerischer Politik vor Augen führt. Mehr als 50 Prozent der früheren Empfänger von Arbeitslosenhilfe erhielten nach der Reform im Durchschnitt 150 Euro weniger. Der befürchtete schnelle soziale Abstieg war und ist zu besichtigen. Zumal dann, wenn fürs Alter gedachte Ersparnisse fürs tägliche Leben aufgezehrt werden. Und die Widerspruchsverfahren gegen Bescheide in einem einzigen Jahr in die Hunderttausende gehen.

Die Sozialpolitik muss mit der Wirklichkeit abgeglichen werden

Vor diesem Hintergrund wird es umso bedeutsamer, dass die Parteien, die Volksparteien bleiben oder werden wollen, ob Union, SPD oder Grüne, Lösungen anbieten, die einer Mehrzahl der Menschen das Gefühl vermitteln: Eure Sorgen werden verstanden. Insofern ist es richtig, die Hartz-Reformen hinter sich zu lassen, weil es ja auch nach 15 Jahren geboten ist, die Sozialpolitik an der Wirklichkeit zu prüfen und an die veränderte Gesellschaft anzupassen.

Gute Ökonomie ist die Grundlage

Eine Gesellschaft, in der heute zwei Millionen Kinder von Hartz IV leben, die aber für eine bessere Zukunft gerüstet werden müssen. Eine Gesellschaft, die mit und von Einwanderung lebt. Die endlich Diversität lebt. Eine Gesellschaft, die sich im Ganzen auf Arbeit 4.0 einstellen muss. Die nicht nur viel mehr über Digitalisierung, sondern darüber hinaus auch noch über die Humanisierung der Arbeitswelt sprechen muss. Gute Ökonomie ist die Grundlage – aber eben auch fürs Soziale.

Der erste Spruch an der Wand in Arkansas lautete „Change vs. more of the same“, Veränderung kontra Weitermachen. In der Tat: Politik muss anders weitermachen. Entbürokratisierung, Neuorganisation bei der Arbeitssuche, humane Arbeit statt Sozialleistungen: Das zu gewährleisten entscheidet über Zusammenhalt – und Stimmen. Nur nicht für Dummköpfe.

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