zum Hauptinhalt
Edward Snowden ist wohl der bekannteste Whistleblower der Welt.

© Andrew Kelly / REUTERS

Gesetz für Whistleblower: Verrat, der geschützt werden muss

Der Bundestag hat den Schutz von Geschäftsgeheimnissen neu geregelt. Gut, dass der „gute Verrat“ erstmals gesetzlichen Rückhalt erfährt. Eine Kolumne.

Missstände aufdecken, Skandale enthüllen – gar nicht so einfach. Die meisten Missstände hat jeder täglich vor Augen. Alle anderen muss man richtiggehend suchen. Dabei helfen Whistleblower, also Leute, die alarmieren, wenn etwas schiefläuft. In der Wirtschaft ist das ein sensibles Thema. Manchmal ist der Missstand gerade das, womit Geld verdient wird.

Umso mehr ist zu begrüßen, dass dieser „gute Verrat“ jetzt erstmals gesetzlichen Rückhalt erfährt. Der Bundestag hat den Schutz von Geschäftsgeheimnissen neu geregelt. Darin aufgenommen sind Ausnahmen für Presse und Hinweisgeber. Sie dürfen Geheimnisse offenlegen, wenn es um Rechtsbrüche geht oder „berufliches oder sonstiges Fehlverhalten“. Anderenfalls kann es eine Straftat sein.

Kritik am "Schnüffelparagraphen"

Gegen den Regierungsentwurf hatten Journalistenverbände protestiert, weil ihnen die Ausnahmen zu vage waren. Außerdem gab es Kritik an einem „Schnüffelparagrafen“, wonach Whistleblower ihre guten Absichten nachzuweisen hätten. Nie wieder Panama Papers, hieß es; keine Recherchen zum Cum-ex-Steuerbetrug; Whistleblower stünden mit einem Bein im Knast.

Der Protest war überzogen. Dennoch, der Bundestag hat nachgesteuert. Die Ausnahmen sind großzügiger formuliert. Journalisten werden vor Strafverfolgung wegen Beihilfe geschützt, wenn sie Geheimnisse annehmen. Der „Schnüffelparagraf“ wurde scheinbar entschärft, dafür müssen Hinweisgeber jetzt im Streitfall darlegen, dass ihre Tat objektiv „geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen“. Bloße Absichten darzulegen wäre leichter gefallen, es kann also ein Schuss ins eigene Knie gewesen sein. Insgesamt aber stehen Presse und Whistleblower besser da denn je.

Jetzt müssen sie nur noch kommen, die Verräter. Aber mal ehrlich: Sie kommen selten. Wer will schon seinen Job oder seine Beförderung riskieren? Seinen Ruf? Oder gar seine Freiheit? Whistleblowing muss auch nicht so moralisch sein, wie es oft dargestellt wird. Neben den öffentlichen verfolgen viele Verräter auch eigene Interessen. Vielleicht wollen sie eine Entwicklung steuern. Oder einer Konkurrenzfirma schaden. Die wenigsten Informanten geben Informationen um einer besseren Gesellschaft willen preis. Sie erwarten eine Art Gegenleistung; es kann durchaus sinnvoll für Journalisten sein, Informanten auf Distanz zu halten.

Trotzdem ist mehr Schutz für Whistleblower, wie ihn auch die EU derzeit plant, ein richtiges Ziel. Den „guten Verrat“ zu stärken, setzt Unternehmen und Behörden unter Druck, Missstände abzustellen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Wer Geschäftsgeheimnisse schützen will, sollte zusehen, dass alles sauber läuft und die Angestellten zufrieden sind. Es muss nicht immer etwas verraten werden. Es reicht, wenn Verrat droht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false