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Präsident Wladimir Putin hatte das Gesetz am Samstag unterzeichnet.

© Reuters

Gesetz gegen Kreml-Kritiker: Russland prüft Verbot von Amnesty, Transparency und Human Rights Watch

Kaum war das Gesetz zum möglichen Verbot von nichtstaatlichen Organisationen unterzeichnet, da gingen in Russland erste Anträge auf eine Überprüfung der Gefährdung ein.

Es konnte offenbar gar nicht schnell genug gehen. In rekordverdächtigem Tempo peitschte zunächst die Duma einen Entwurf durch, der die Tätigkeit unerwünschter internationaler Organisationen in Russland untersagt. Das Verbot gilt auch für die Verbreitung von Informationen im Internet und für die Umsetzung von Projekten, einschließlich Organisation von Symposien und Kongressen. Auch dürfen russische Banken für sie keine Geldgeschäfte mehr abwickeln. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Geldstrafen, Wiederholungstätern sogar Haft. Mit gleichem Tempo passierte das Gesetz, das Mitte Mai in dritter Lesung verabschiedet wurde, in der vergangenen Woche den Senat.

Am Samstag setzte Präsident Wladimir Putin es mit seiner Unterschrift in Kraft. Und schon am Montag ging bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft – sie und das russische Außenministerium entscheiden gemeinsam, wer als potenzielle Bedrohung für die Sicherheit Russland gelistet wird – der erste Antrag auf Überprüfung ein. Gestellt hat ihn Witali Solotschewski, ein Hinterbänkler der ultranationalen Liberaldemokratischen Partei (LDPR). Sie zählt sich offiziell zur Opposition, die Kremlpartei „Einiges Russland“ kann sich jedoch bei strategischen Abstimmungen grundsätzlich auf ihre Loyalität verlassen.

Akutes Gefährdungspotenzial bescheinigt der Prüfungsantrag gleich fünf prominenten nichtstaatlichen Organisationen: den Menschenrechtsgruppen Human Rights Watch, Amnesty International und dem internationalen Ableger der russischen Stiftung Memorial, die in der Perestroika aus der Dissidentenbewegung hervorging und sich auch um kritische Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit bemüht. Ermittelt werden soll auch gegen Transparancy International, eine nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit gegen Korruption engagiert, und gegen die Carnegie-Stiftung. Deren Zentrum in Moskau gehört zu den wichtigsten Denkfabriken Russlands, die Forscher sind bekannt für kritische Distanz zu Kreml und Außenamt.

Kurz danach ging bei der Staatsanwaltschaft ein weiterer Überprüfungsantrag ein. Gestellt hatte ihn Alexander Sidjakin, der mit Mandat der Kremlpartei in der Duma sitzt und Russland Sicherheit durch die Stiftung „Offenes Russland“ bedroht sieht. Sie wurde von dem kremlkritischen Oligarchen Michail Chodorkowski ins Leben gerufen, der sie bis heute unterstützt. Sie hatte sich mit politischen Seminaren beim Kreml wiederholt unbeliebt gemacht. Im Stiftungsrat sitzt auch Jewgeni Jassin, der wissenschaftliche Direktor der Moskauer Hochschule für Ökonomie, der zu den schärfsten Kritikern von Wladimir Putins Wirtschaftspolitik gehört.

Das neue Gesetz sei gleichbedeutend mit dem Ende der Zivilgesellschaft in Russland, sagt die Programmdirektorin des Moskauer Büros von Human Rights Watch, Tatjana Lokschina, in ihrem Blog auf der Website der Organisation. Sanktionen seien nicht nur gegen unerwünschte ausländische Organisationen vorgesehen, sondern auch gegen Bürger und Organisationen Russland, die in deren Tätigkeit involviert sind. Sie seien das eigentliche Ziel des neuen Gesetzes, das „die Bande zu ihren internationalen Partnern durchtrennen, sie weiter isolieren und die russische Zivilgesellschaft abwürgen“ soll.

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