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Hilfe am Ende. Die Unterstützung für Sterbewillige ist seit Jahren umstritten, die Koalition kann sich nicht einigen. Foto: Norbert Försterling/dpa

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Gesetz zur Sterbehilfe: Auf Wunsch der Kirchen

Ende Januar sollte ein Gesetz zum Verbot der Sterbehilfe im Bundestag verabschiedet werden. Weil sich die Koalition uneins ist, wird das Vorhaben vorerst auf Eis gelegt. Während Union und FDP vor allem über den Umgang mit der aktiven Sterbehilfe durch Organisationen diskutieren, versucht die Kirche Einfluss zu nehmen.

Nach der Rentenreform hat die Regierungskoalition nun ein weiteres ihrer Vorhaben auf Eis gelegt: das geplante Verbot der Sterbehilfe. „Wir brauchen dafür noch ein bisschen Zeit“, sagte eine Sprecherin der Unionsfraktion am Donnerstag – und bestätigte damit, dass es mit der für Ende Januar vorgesehenen Bundestagsentscheidung über den Gesetzentwurf der Justizministerin nichts wird. Es gebe in der Union „den Wunsch, noch mehr herauszuholen“. So wolle man ausloten, ob sich das geplante Verbot nicht doch auch auf gemeinnützig agierende Sterbehilfevereine erweitern lasse.

Nach dem Entwurf aus dem Haus von FDP-Ministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger würden sich nur Organisationen strafbar machen, die Suizidbeihilfe kommerziell betreiben. Das fuße bereits auf einem Kompromiss, heißt es dazu im Justizressort. Mehr sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht drin. Erschwerend kommt für die Union hinzu, dass dem Justizressort am Gelingen des Gesetzes wenig gelegen ist. Man habe den Koalitionsvertrag umgesetzt, um ein „Herzensanliegen“ der Ministerin handle es sich nicht, lautet die Botschaft. Entsprechend gelassen reagierte die FDP-Politikerin auf die neuerliche Verzögerung. Es sei „nicht ungewöhnlich, dass in einer solch sensiblen Frage im Parlament länger beraten wird“, ließ sie ausrichten.

In der Union dagegen wünschen sich viele ein möglichst umfassendes Sterbehilfe-Verbot – und einige auch nach dem Motto „ganz oder gar nicht“. Mit dem vorliegenden Entwurf verbiete man nicht nur etwas, „wogegen derzeit gar keiner verstößt“, ärgert sich der Behindertenbeauftragte der Regierung, Hubert Hüppe (CDU). Mit dem Verzicht auf die Ahndung von ebenfalls organisierter, aber nicht-kommerzieller Sterbehilfe werde diese in den Augen der Bürger womöglich legitimiert, warnt er. „Wenn ein Gesetz nicht nur keine Schutzwirkung entfaltet, sondern auch noch das Signal aussendet, dass jede Sterbehilfe ohne Gewinnerzielungsabsicht in Ordnung ist, sollten wir es lieber ganz sein lassen.“

Das sehen auch die Kirchen so. „Viele Menschen denken, wenn etwas nicht verboten ist, dann ist es erlaubt“, sagt Prälat Karl Jüsten. Er leitet das Katholische Büro Berlin und ist damit oberster Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz bei Bundesregierung und Bundestag. Ein Gesetz, das nur die gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid verbietet, werde anderen Organisationen, die Sterbehilfe ohne finanzielle Absichten anbieten, Auftrieb geben, fürchtet er. Die Handlung bleibe aber „moralisch gleichermaßen verwerflich, ob ich sie vornehme, weil ich damit Geld verdienen will oder ob ich dies ehrenamtlich tue“. Lasse man die geschäftsmäßigen Sterbehilfe-Vereine weiter gewähren, könne dies den finanziellen und sozialen Druck auf schwerst und psychisch Kranke erhöhen, solche Hilfe in Anspruch zu nehmen. So habe eine Untersuchung aus der Schweiz ergeben, dass sich immer mehr psychisch Kranke beim Sterben professionell helfen lassen. Erschreckend sei das, findet Jüsten.

Für die Entscheidung der Union, die Bremse zu ziehen, dürfte die Haltung der Kirchen eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Jetzt bloß kein Zeitdruck, warnen sie. „Es ist notwendig, dass sich der Bundestag noch mal grundlegend mit dem Thema befasst“, sagt Jüsten. „Wir wollen, dass man das Verbot auf alle organisierten Formen der Suizidbeihilfe ausdehnt.“

Der Preis für solche Maximalforderung könnte freilich sein, dass es am Ende gar kein Verbot gibt. Die Trauer darüber hielte sich nicht nur bei der FDP in Grenzen. „Ich fände es nicht schlimm, wenn der Gesetzentwurf sterben würde“, sagt der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag. Der aktuelle Rechtszustand sei „völlig in Ordnung“, es gebe keinen Bedarf für ein Strafgesetz. Den Sterbehilfe- Aktivisten Roger Kusch etwa, der vor fünf Jahren für seinen „Selbsttötungs-Automaten“ trommelte, habe man mit geltendem Recht begegnen können. Und die hierzulande aktiven Sterbehilfe-Organisationen – der Hamburger Verein SterbeHilfeDeutschland und der Dignitas-Ableger in Hannover – agierten in derart „seriösem Kleid“, dass man ihnen per Gesetz nicht beikomme. Schließlich könne man „Vereinen nicht verbieten, was Einzelnen erlaubt ist“. So versichern die Hamburger nicht nur, dass ihr Verein „keinerlei wirtschaftliche Zielsetzung“ habe. Sie garantieren auch, den Erben jedes Mitglieds, das sich beim Suizid helfen ließ, alle Vereinsbeiträge zurückzuerstatten.

Für Unionfraktionsvize Günter Krings ist Letzteres, da es Suizidwilligen finanzielle Anreize setzt, „besonders perfide“ – und ein Beleg dafür, dass auch geschäftsmäßige Beihilfe verboten gehört. Es sei richtig, sich für diese Frage noch mal Zeit zu nehmen. Allerdings wäre es für Krings am schlechtesten, wenn gar kein Gesetz kommen würde. Den jetzigen Rechtszustand hält er für unerträglich. "Auch das Verbot kommerzieller Sterbehilfe brächte", so wirbt der CDU-Politiker, "demgegenüber eine Verbesserung."

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