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Ein Arzt beschneidet – das ist der Regelfall, wie hier bei einem Berliner Jungen.

© dpa

Gesetzesentwurf: Erst betäuben, dann beschneiden

Die Regierung begründet ihren Gesetzentwurf zur religiösen Beschneidung von Jungen mit Mandela und Bayerns Polizei. – ob sich neue Anforderungen für jüdische Mohalim ergeben, bleibt noch unklar.

Die Zulässigkeit ritueller Knabenbeschneidung soll offenbar in einer Rekordzeit im Gesetzbuch stehen. Nachdem Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erst vor gut einer Woche Eckpunkte für eine Regelung vorgelegt hat, gibt es nun aus ihrem Haus einen mit Familienministerin Kristina Schröder (CDU) abgestimmten Referentenentwurf. Am kommenden Mittwoch könnte er das Kabinett passieren.

Die Regelung ist wortgleich mit der in den Eckpunkten: In einem neuen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch wird klargestellt, dass ein Eingriff „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ vom elterlichen Sorgerecht für das Kind erfasst wird. Die Operation wäre dann rechtmäßig und könnte nicht mehr als strafbare Körperverletzung angesehen werden, wie sie im umstrittenen Urteil des Landgerichts Köln vom Mai dieses Jahres noch festgestellt wurde. Ein zweiter Absatz widmet sich der Situation jüdischer Familien, von denen viele den Eingriff nach alter Tradition von einem Beschneider (Mohel) durchführen lassen, der kein ausgebildeter Arzt sein muss. Soweit dieser für den Eingriff „vergleichbar befähigt“ ist, darf er seine Tätigkeit weiter ausüben. Allerdings werden im geplanten Wortlaut weder Juden noch Muslime erwähnt. Die Regelung soll es ausdrücklich auch ermöglichen, dass Eltern ihre Söhne etwa aus gesundheitlich-präventiven Gründen beschneiden lassen.

Der Entwurf ist 26 Seiten lang und bietet einen historisch-religionskulturellen Abriss über weltweite Beschneidungstraditionen ebenso wie einen internationalen Rechtsvergleich und eine Übersicht über die medizinische Forschung zum Thema. Mitunter holen die Autoren weit aus und bieten etwa Zeugnisse der Bayerischen Polizei aus der Mitte des 19. Jahrhunderts an oder zitieren den südafrikanischen Anti-Apartheid-Kämpfer und ersten schwarzen Präsidenten des Landes Nelson Mandela („Ein nichtbeschnittener Mann gilt überhaupt nicht als Mann, sondern als ein Knabe“).

Ob die Beschneidung aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll ist, bleibt offen, ebenso sei die mögliche Traumatisierung der Kinder unbelegt. Fest stehe aber, dass Neugeborene ein Schmerzempfinden und ein Schmerzgedächtnis hätten.

Zur internationalen Rechtslage heißt es: „Weltweit ist kein Staat bekannt, in dem eine mit Einwilligung der Eltern fachmännisch fehlerfrei durchgeführte Beschneidung von männlichen Kindern, jedenfalls wenn sie aus religiösen Gründen erfolgt, ausdrücklich verboten wäre.“ Umgekehrt verfüge bisher nur Schweden über eine eigene Erlaubnisnorm. In Finnland und Italien hätten Gerichte die Zulässigkeit bestätigt. Die weibliche Genitalverstümmelung bleibe mit dem neuen Gesetz als schwere und/oder gefährliche Körperverletzung strafbar.

Neue Anforderungen könnten sich für jüdische Mohalim ergeben, die moderne Anästhesie ablehnen und dem Kind beispielsweise Wein geben. „Eine im Einzelfall angemessene und wirkungsvolle Betäubung“ verlangt der Entwurf im Begründungsteil. Die Deutsche Kinderhilfe kritisierte, es sei auch ein Irrglaube, dass Zäpfchen oder Salben genügten. Lokalanästhesien mittels Injektionen oder Narkosen seien Sache von Ärzten. Hier könnte es in der Parlamentsberatung noch Diskussionen geben.

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