zum Hauptinhalt

Politik: Geständnis leicht gemacht

Ein Al-Tawhid-Mann muss vier Jahre in Haft – zu lange, meint das Gericht und wirbt für eine Kronzeugenregelung

DER TERRORPROZESS IN DÜSSELDORF

Ottmar Breidling erfüllt die Erwartungen seiner Zuhörer schon nach wenigen Minuten. Der Vorsitzende Richter hat eben erst verkündet, dass der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes für vier Jahre ins Gefängnis muss, als er sich den allgemein politischen Aspekten dieses Verfahrens zuwendet. Schon bei den früheren Urteilen dieser für Terrorismus und Staatsschutz zuständigen Strafkammer des Düsseldorfer Oberlandesgerichts hatte sich Ottmar Breidling nie gescheut, dem Gesetzgeber Ratschläge zu erteilen oder die Exekutive gar mächtig zu kritisieren.

So empörte er sich bei der Urteilsverkündung gegen Metin Kaplan über die bundesdeutschen Behörden, die einen Mann wie den Gründer des islamistischen Kalifatsstaats nach seiner Einschätzung allzu lange haben gewähren lassen, bevor sie seine Aktivitäten unterbanden.

Den Urteilsspruch gegen das Al-Tawhid-Mitglied Shadi A. nutzt der Richter, um der rot-grünen Bundesregierung deutliche Hinweise im Umgang mit Kronzeugen zu geben. „Der Angeklagte hätte die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Kronzeugenregelung, die am 31. Dezember 1999 ausgelaufen ist, erfüllt“, erläutert der Vorsitzende der Kammer schon in der Kurzfassung seiner Begründung und wirbt dafür, dass Berlin an diesem Punkt neu nachdenkt. „Auch in islamistischen Terrorgruppen finden sich Mitglieder, die unter bestimmten Gegebenheiten zum Ausstieg bereit sind“, sagt Breidling, und setzt hinzu: „wie es sich im Falle des Angeklagten gezeigt hat“.

Der 27-jährige Palästinenser hatte bereitwillig mit dem Senat kooperiert und viele interessante Details aus den Terrorgruppen Al Tawhid und Al Qaida geliefert. „Seine Aussage ist Ermittlungshilfe“, hatte dessen Verteidiger Rüdiger Deckers formuliert und auch an diesem Punkt mochten ihm weder die Bundesanwälte noch das Gericht widersprechen. Shadi A. hatte offen über seine Ausbildung in einem Al Qaida Lager in Kandahar geredet und im Laufe des Verfahrens auch die schon ausgespähten Anschlagsziele preisgegeben. „Die Gruppe wollte möglichst viele Menschen in Düsseldorf und Berlin töten“, hielt das Gericht fest, das die Aussagen des Angeklagten damit in weiten Teilen für absolut glaubwürdig hält. „Wir haben uns die Prüfung nicht leicht gemacht, aber viele Details waren objektiv richtig“, urteilt der Richter, der auch gleich noch darauf hinweist, dass die unmittelbar bevorstehenden Anschläge im Frühjahr 2002 nur dank der Wachsamkeit und guten Kooperation zwischen Geheimdiensten, Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft verhindert werden konnten. „Sämtliche Behörden haben genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige getan“, urteilt Breidling.

Für die Bundesregierung will er das nicht behaupten. Die alte Kronzeugenregelung wurde nicht verlängert und das hält der Senat offenbar für falsch. Man hat beim Strafmaß von nur vier Jahren trotz der harten Vorwürfe den Spielraum nach unten so weit wie möglich ausgeschöpft, aber das reicht dem Richter nicht.

„Es ist zu kurz gegriffen“, zeigt sich Breidling überzeugt, „bei Mitgliedern solcher Vereinigungen ausnahmslos von unbeugsam ideologisch verhafteten Islamisten auszugehen, die einer Ansprache mit möglicher Strafvergünstigung nicht zugänglich sind“. Nach Auffassung des Senats, der sich in zahlreichen Verfahren mit Terroristen beschäftigt hat, böte eine solche Regel auch für die Strafverfolger erhebliche Vorteile, weil die gegenwärtige Gesetzeslage nicht hilft: „Die fehlende Möglichkeit der gesetzlich abgesicherten Zusage einer Vergünstigung erschwert, ja, behindert die Aufklärung begangener Straftaten und verhindert die rechtzeitige Aufdeckung künftiger terroristischer Akte.“

An dieser Stelle nickten viele Zuschauer, die den Prozess in Düsseldorf über die 28 Verhandlungstage verfolgt hatten.

Zur Startseite