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Benny Tai, Anführer der Hongkonger Protestbewegung von 2014

© Reuters/Ann Wang

Update

Geste der Beschwichtigung: Hongkong lässt Anführer der Proteste von 2014 frei

Der Hongkonger Demokratieaktivist Benny Tai darf aus der Haft. Neue Proteste sind dennoch angekündigt. Der US-Präsident bietet Chinas Staatschef ein Treffen an.

Inmitten der neuen Protestbewegung in Hongkong ist ein prominenter Anführer der Proteste von 2014 vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Der Juraprofessor Benny Tai durfte gegen eine Kaution von umgerechnet etwa 11.500 Euro am Donnerstag nach Hause, wie die Justiz mitteilte. Er darf die Metropole aber nicht verlassen. Die Freilassung wird als Geste der Beschwichtigung der prochinesischen Hongkonger Regierung gesehen. Trotzdem werden an diesem Wochenende wieder massive Demonstrationen für mehr Demokratie und gegen Polizeigewalt erwartet.

US-Präsident Donald Trump legte dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Donnerstag nahe, sich mit den Demonstranten zu treffen. Er habe keinen Zweifel daran, dass das „Hongkong-Problem“ ein „glückliches“ Ende nehmen werde, wenn Xi sich persönlich mit den Demonstranten treffe, schrieb Trump auf Twitter. Er verbreitete dabei noch einmal eine Nachricht vom Vortag weiter, in der er erklärt hatte, dass er Xi sehr gut kenne. „Ich habe NULL Zweifel daran, dass Präsident Xi, wenn er das Problem um Hongkong schnell und human lösen will, das auch tun kann.“ Diese Nachricht hatte Trump mit den Worten geschlossen: „Persönliches Treffen?“. Das war so interpretiert worden, dass er Xi ein bilaterales Treffen in Aussicht stellte.

Trump war innenpolitisch zuletzt kritisiert worden, weil er sich nicht klar für die demokratischen Freiheitsrechte der Menschen in Hongkong aussprach. Seine jüngsten Aussagen dürften auch von wirtschaftlichen Interessen getrieben sein. Trump schaltete sich am Mittwoch ein, nachdem es an der Wall Street kräftige Kursverluste gegeben hatte.

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China hatte seine Gangart in der Hongkong-Krise verschärft und damit internationale Besorgnis ausgelöst. "Peking hat nicht beschlossen, die Aufstände in Hongkong gewaltsam zu unterdrücken, aber Peking steht diese Option eindeutig zur Verfügung", heißt es in einem Leitartikel der staatliche kontrollierten "Global Times". Die Übungen der Bewaffneten Volkspolizei in Shenzhen, das direkt neben der Sonderverwaltungszone Hongkong liegt, seien eine deutliche Warnung an die "Randalierer" gewesen. Sollte Hongkong Rechtsstaatlichkeit nicht selbst wiederherstellen können und die Unruhen sich verstärken, sei es zwingend erforderlich, dass die Zentralregierung eingreife.

Die zunehmende Präsenz des chinesischen Militärs an der Grenze zu Hongkong Befürchtungen, die Lage könne eskalieren. In den vergangenen Tagen hatten chinesische Staatsmedien Videos veröffentlicht, die paramilitärische Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen bei Übungen in der an Hongkong grenzenden Stadt Shenzhen zeigten. In sozialen Netzwerken wurden Satellitenbilder von Dutzenden dieser Fahrzeuge geteilt, die auf dem Gelände eines Stadions geparkt waren. „Eine klare Warnung“, schrieb Hu Xinjin, Chefredakteur der parteinahen Zeitung „Global Times“ auf Twitter.

Der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, sagte am Donnerstag im ZDF, es müssten notwendige Maßnahmen ergriffen werden, „um die öffentliche Ordnung wieder zu normalisieren und um die Gewalttaten zu stoppen“. Falls das die Regierung in Hongkong überfordere, müsste die Zentralregierung in Peking Aufgaben übernehmen, erklärte er. Zum Vorschlag Trumps an Chinas Staatschef Xi, sich persönlich zu treffen, äußerte sich Wu nicht. „Ich weiß nicht, ob unser Präsident Xi diesmal noch Zeit hat für eine Begegnung mit Trump“, sagte er in dem Gespräch.

Anführer der Regenschirm-Proteste

Der am Donnerstag aus der Haft entlassene Tai ließ offen, ob er an neuen Protesten teilnehmen wird. Er sagte nach seiner Freilassung: „Ich will jetzt erst einmal Zeit mit meiner Familie verbringen.“

Tai war eines der prominentesten Gesichter der sogenannten Regenschirm-Bewegung für Demokratie. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung wurde er im vergangenen April zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Seit mehr als zwei Monaten gibt es in Hongkong erneut Proteste gegen die Regierung, die das Ausmaß der „Regenschirm-Proteste“ vor fünf Jahren mittlerweile übersteigen.

Hongkong wird seit der Rückgabe 1997 an China autonom regiert. Anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik genießen die Hongkonger das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Rechte sehen viele nun in Gefahr.

Tausende Hongkonger hatten ihre Proteste gegen die Stadtregierung und die Polizeigewalt in den vergangenen Tagen auf den Flughafen ausgeweitet und dort mit Sitzblockaden die Passagierabfertigung massiv behindert. Sowohl am Montag als auch am Dienstag wurde der Flugbetrieb deshalb vom Nachmittag an unterbrochen. In der Nacht zum Mittwoch kam es zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei.

Am Donnerstag normalisierte sich die Lage langsam wieder. Es gab zwar immer noch teils erhebliche Verzögerungen. Im Flughafen selbst kam es jedoch zu keinen neuen Sitzblockaden oder sonstigen Protesten. Der Airport hatte dagegen eine einstweilige Verfügung erwirkt.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, würdigte die Demonstranten in Hongkong für „ihren Mut und ihre Entschlossenheit, mit denen sie für Freiheit, Gerechtigkeit und die ihnen zugesagte, wahre Autonomie kämpfen“. Sie forderte Trump auf, an einer Lösung mitzuwirken.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte die Konfliktparteien Hongkongs auf, den Dialog für eine friedliche Lösung wieder aufzunehmen. „Das Grundgesetz von Hongkong und der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ garantieren die Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Autonomie der Justiz, die für die Menschen und den wirtschaftlichen Wohlstand Hongkongs von wesentlicher Bedeutung sind“, erklärte Le Drian.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jürgen Hardt, riet zu Gesprächen über eine Deeskalation, weil eine weitere Zuspitzung „auch Auswirkungen auf die Wirtschaft in Zeiten ohnehin bestehender Turbulenzen“ hätte. Zudem mahnte er eine kohärente China-Strategie der EU an, die den Blick neben Hongkong auf die Seidenstraßeninitiative und Chinas Engagement in der Welt werfe. (dpa)

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