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Gesundheit: Ärzte kämpfen gegen Kunstfehler-Tabu

Durch Kunstfehler sterben mehr Menschen als im Straßenverkehr. Doch aus Angst vor den Folgen werden sie von deutschen Ärzten regelmäßig unter den Teppich gekehrt. Jetzt fordert ein Ärzte-Bündnis den Mentalitätswechsel. Das Motto der Mediziner: Nur aus Fehlern wird man klug.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und das Aktionsbündnis Patientensicherheit haben von Ärzten und Pflegern einen offeneren Umgang mit Kunstfehlern gefordert, um die Qualität medizinischer Behandlungen künftig zu verbessern. "Es gehört Mut dazu, sich öffentlich zu Fehlern zu bekennen", sagte Schmidt bei der Vorstellung der Broschüre "Aus Fehlern lernen". Sie wünsche sich eine Enttabuisierung des Themas. Nur wenn Fehler benannt würden, könnten sie auch behoben werden. "Deswegen haben ich und mein Ministerium das Aktionsbündnis Patientensicherheit von Anfang an unterstützt."

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sagte, er sehe in der Publikation die Chance, "die Stimmung in Deutschland zu verändern". Früher hätte das Eingeständnis von Fehlern persönliche Konsequenzen wie Reputationsverlust in der Ärzteschaft mit sich gebracht. Die Offenlegung und das Lernen aus Fehlern könnten aber zu einer "Fehlervermeidungskultur" führen. "Nicht wer ist schuld, sondern was ist schuld", sei die entscheidende Frage.

500.000 Infektionen pro Jahr

Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Matthias Schrappe, forderte einen offenen Umgang mit Behandlungsfehlern. "Nur, wenn wir über Fehler sprechen, können wir sie verhindern", sagte er. Deutschland habe zwar ein gutes Gesundheitssystem, aber man wolle sich weiter verbessern. Etwa 500.000 Patienten infizierten sich pro Jahr in Deutschlands Krankenhäusern durch mangelnde Hygiene, teilte Schrappe mit. Zu einem der gravierenden Behandlungsfehler bei Operationen, einer Rechts-Links-Verwechslung, komme es rund 100 mal im Jahr.

Der AOK-Vorstandsvorsitzende Hans-Jürgen Ahrens sieht in der Broschüre das Zeichen eines "Mentalitätswandels". Die aus der Fehleranalyse folgende Qualitätsverbesserung sei dringend notwendig. Durch Kunstfehler stürben mehr Menschen als im Straßenverkehr, sagte Ahrens. 10.000 Versicherte pro Jahr würden sich wegen des Verdachts auf fehlerhafte Behandlung an die AOK wenden. Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf, teilte mit, sein Verband unterstütze das Aktionsbündnis. Durch Beratung über Arzneimittel würden Apotheker einen wichtigen Beitrag zur Patientensicherheit leisten.

Kostendruck und Personalmangel als Fehlerquellen

Hoppe sagte, die Medizin werde "zwar immer leistungsfähiger, damit aber auch immer komplexer". Komplizierte Medizintechnik, Kostendruck und Personalmangel seien potenzielle Fehlerquellen. Meist sei ein Behandlungsfehler nicht dem individuellen Versagen eines Einzelnen geschuldet, sondern Organisations- und Kommunikationsmängeln. Erkenntnisse über fehlerhafte Behandlungen würden "konsequent für die ärztliche Fortbildung und die Qualitätssicherung genutzt".

In der Publikation "Aus Fehlern lernen", die das Aktionsbündnis Patientensicherheit erarbeitet hat, berichtet medizinisches Personal über Fehler bei der Behandlung. (ddp)

Georg Fahrion

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